Meine Therapieerfahrungen sind... gemischt. Ich habe eigentlich nur einmal das Gefühl gehabt, dass die Therapie selbst einen direkten Effekt hatte. Das war vor etwa 13 Jahren, kurz nachdem ich mich hier angemeldet hatte. Ich war schwer depressiv. In der ersten Kennenlernsitzung hat der Therapeut mir einen einzigen Denkanstoß gegeben, der augenblicklich meine Selbstwahrnehmung und mein Weltbild in Frage und auf den Kopf gestellt hat. Mit dieser neuen Perspektive war der Leidensdruck stark reduziert, aber die Depression mit all ihren Auswirkungen blieb hartnäckig. Die eigentliche Therapie hat mir dann auch nicht weiter geholfen, aber dieser eine Satz aus der allerersten Sitzung wirkte über Monate und Jahre weiter und half mir langsam, aber stetig wieder stabil zu werden.
Zurzeit bin ich in einer anderen Therapie - schon seit eineinhalb Jahren - hier geht's darum, mit meinem ADHS besser klarzukommen und meinen Alltag besser zu managen. Auch hier habe ich das Gefühl, dass die Therapiesitzungen mir nicht konkret helfen. Die Therapeutin kann mir nur als Außenstehende eine Rückmeldung zu meinen Berichten und somit eine etwas andere Perspektive geben. Das Kernproblem, nämlich all die bekannten Selbstmanagement-Techniken erfolgreich und konsequent anzuwenden, gegen den extremen Widerstand meines dopaminsüchtigen Gehirns, konnte sie mir bisher nicht erleichtern. Auch hier ist es wieder ein einzelner, äußerer Impuls gewesen - massiver emotionaler Schmerz aus anderer Quelle - der in mir spürbare Veränderungen des Wahrnehmens, Denkens und Handelns angestoßen hat, die wiederum erst über viele Monate langsam beginnen, sich zu manifestieren. Hat mir das ständige Feedback der Therapeutin dabei geholfen? Ich weiß nicht. Ich habe das Gefühl, mehr aus Youtube-Videos über ADHS gelernt zu haben (auch sehr grundlegende Dinge, die mir in 25 Jahren keine Ärztin jemals gesagt hat, was mich etwas erschreckt). Aber es ist trotzdem gut zu wissen, dass da jemand ist, der bei einer akuten Krise professionell unterstützen kann, und sei es nur mit einer Krankschreibung und guten Argumenten für die folgende Auseinandersetzung mit dem Chef (ich arbeite dort infolgedessen nicht mehr).
Ich weiß nicht, ob es unterschiedliche Prädispositionen gibt für so etwas. Sicher gibt es Menschen oder auch Krankheitsbilder, für die systematische Therapiearbeit wirklich gut funktioniert. Ich habe das Gefühl, dass ich persönlich mich eher durch "traumatische" (im Sinne von extremen Einzelereignissen, nicht unbedingt im Sinne einer Traumatisierung) Erlebnisse psychisch weiterentwickle als durch Therapie. Dazu fände ich wissenschaftliche Erkenntnisse auch mal interessant.