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Arbeit, Geld, Rente, Leben...

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Julya:
Momentan mache ich mir sehr viele Gedanken hauptsächlich um das leidige Thema Jobsuche. Seit vergangenem September bin ich nun dabei und langsam aber sicher nagt das ganz schön an meinem Nervenkostüm. Es ist nicht so, dass ich mich nicht zu beschäftigen wüsste, ich habe eigentlich immer was zu tun, aber mittlerweile merke ich, wie sehr mich das runterzieht.
Ich komme von Hölzchen auf Stöckchen. Keine Arbeit, kein Geld, keine Altersvorsorge, keine Möglichkeit der Lebensplanung oder -gestaltung.
Krankheitsbedingt habe ich in den letzten Jahren immer mal wieder größere Arbeitsausfälle gehabt und zuletzt ein Jahr auch nur halbtags gearbeitet, obwohl ich sicher auch mehr geschafft hätte, aber keine Stelle mit mehr Stunden gefunden habe.
Dieses Arbeitsverhältnis hat unschön geendet und hat mir und meinem (Arbeits-)Selbstbewusstsein ziemlich geschadet. Es ist schwierig, sich mit angeknackstem Ego zu bewerben. Man sollte und möchte sich ja gut darstellen.
Noch dazu kommt der Arbeitsmarkt und eine gewisse Erpressung durch Arbeitsagentur, bzw Jobcenter. Mittlerweile sind Stellenangebote zu nahezu 100% von Leiharbeitsfirmen und Stellenvermittlern. Firmen in meinem Bereich zahlen ein - ich zitiere - attraktives Einkommen ab 7,89 €/Std. Brutto natürlich.
Was auch immer weiter um sich greift ist die Unart, dass diese Jobvermittlungsfirmen selbstverständlich ausgebildete Fachkräfte suchen, die natürlich total flexibel und zur Schichtarbeit bereit für einen Hilfsarbeiterlohn arbeiten sollen. Ich habe schon mit ein paar Vermittlern telefoniert; man sagte mir öfter, dass man "für den Anfang" in der Lohnklasse eins eingestellt werden würde, was dann wohl diesen "attraktiven" 7,89€ entspricht.
Wenn man aber im Netz ein wenig liest, ist es wohl gängige Praxis, eben jene Fachkräfte für ein halbes Jahr zum Hungerlohn einzustellen und sie dann nach der Probezeit wieder zu kündigen, weil man dann wohl einen etwas höheren Lohn zahlen müsste.
Und dann hört man von der Politik, dass man im Grunde sein ganzes Leben Vollzeit mit einem MINDESTgehalt von 2.500€ in die Rentenkasse einzahlen müsste, um später überhaupt über dem Sozialhilfesatz zu liegen.
Dieses Gehalt werde ich als Schneiderin nie erreichen und auch nicht die zig Jahre Vollzeitbeschäftigung.

Ich verschicke pro Woche ein, zwei Bewerbungen, je nachdem, wieviele Stellen ausgeschrieben sind auch mehr und hatte bisher nicht einmal ein Vorstellungsgespräch, geschweige denn eine Rückmeldung. Da ich mich viel über Jobportale bewerbe, in denen die Firmen anonym inserieren und nichtmal eine Copy&Paste-Absage für nötig halten, kann ich nichtmal nachhaken, da ich nicht weiß, wo ich mich beworben habe.

Das alles spukt so sehr in meinem Kopf rum, dass ich kaum an was anderes denken kann.

Wie geht Ihr damit um, dass wir (unsere Generation) wohl kaum genug Rente zum Überleben haben werden? Wie geht Ihr mit Arbeitslosigkeit um? Wie motiviert Ihr Euch, Euch weiter zu bewerben, Euch nicht runterziehen zu lassen?
Habt Ihr einen Rat für mich, was ich noch versuchen könnte? Einen schlauen Tipp? Vielleicht noch eine gute (mir bisher unbekannte) Jobbörse?

Ich habe einfach derzeit das Gefühl, damit ganz alleine dazustehen. Ich möchte gerne auch mal wieder über einen langen Arbeitstag stöhnen, mich auf's Wochenende freuen und schlicht und ergreifend auch endlich wieder Geld zum Leben zu haben und nicht nur zum Überleben...

PlumBum:
Mein Tipp wäre: Schick Initiativbewerbungen!

Und zwar einfach an jeden, überall und alles, was für dich auch nur irgendwie interessant ist oder in Frage kommen könnte.
Such dir Firmen, die vielleicht nicht mit ihrem Kerngeschäft mit Schneiderei zu tun haben, sondern vielleicht nur am Rande. Versuch einfach überhaupt erstmal irgendwie in so eine Firma rein zu kommen... als Bürohilfe oder was auch immer und dann von innen heraus deinen Wunschjob zu erlangen.
Denk daran das Hamburg eine Hafenstadt ist. Segelmacherei vielleicht?
Wie steht es jetzt eigentlich mit den örtlichen Fetisch anbietern? War Latex kleben nicht auch ne interessante Idee?

colourize:
Das klingt alles ganz schön deprimierend. Aber, ich vermute, dass sich auf mittlere Sicht am Lohnniveau wenig ändern wird, da die meisten Textilwaren ja irgendwo in Fernost zu Konditionen hergestellt werden, gegen die die Arbeitsbedingungen in den Minen von Mordor wie ne "ruhigen Kugel schieben" rüberkommen. Folglich wird es einfach auf mittlere Sicht schwer werden, hier in Deutschland für gute Arbeit gute Löhne zu zahlen und dennoch konkurrenzfähig zu dem Fernostzeug zu sein.

Der vielleicht einzige Weg ist m.E. (wie Pb ja auch schon geschrieben hat) eine Spartennummer. Sachen, für die potentielle Kunden bereit sind, ein Vielfaches zu bezahlen, weil sie kreativ, extrem selten und/oder ausgefallen sind. Neben Fetisch fällt mir da als erstes so was wie Steampunk ein, aber vermutlich gibt es noch mehr Nischen.

Hast Du mal über Selbstständigkeit nachgedacht? Es gibt da immer wieder Wochenendseminare bei der Handelskammer, in denen erklärt wird wie das geht und welche Födermöglichkeiten bestehen...

Julya:
Ich danke Euch sehr für Eure Gedanken zu diesem Thema.

Initiativbewerbungen habe ich schon verschickt, wenn auch nicht allzu viele, denn die Firmen, die ich kenne und die für mich interessant wären, hab ich irgendwann auch abgegrast. Wahrscheinlich findet man kleinere Firmen, die für mich infrage kämen eher durch Zufall....
Plummi, Du hast viele gute Ideen. In Richtung Segelmacherei habe ich auch schon gedacht und bei einer Firma habe ich mich auch schonmal beworben. Leider sind in diesem Bereich meistens Qualifikationen nötig, die ich nicht habe. Segelmacher ist einfach nochmal ein eigener Ausbildungsberuf für sich.
Auch in Richtung Planensattler, Feintäschner, Autosattler, Qualitätsprüfer im Textilbereich usw habe ich mich schon orientiert. Ich bin also ganz und gar nicht festgelegt.

Was die Hamburger Fetischmanufakturen angeht, auch die habe ich schon angeschrieben. Die größte und bekannteste hat sich nicht einmal mit einer Zeile zurück gemeldet. Sehr enttäuschend.

Colourize, ich war schon einmal selbständig und ich muss sagen, dass ich mich das erstmal nicht mehr so einfach traue. 70-Stunden-Wochen, nicht krank sein dürfen, kein Urlaub, hohe Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge, Handwerkskammerbeiträge, andere Versicherungen, etc...
Selbständig zu arbeiten käme erst dann wieder infrage, wenn ich z.B. einen Halbtagsjob hätte, der mich versichert und wenigstens meine Miete abdeckt.
Auch danach suche ich. Es kämen also auch unkonventionelle Arbeitskonstellationen infrage.

Mit klassischem "Kleidungsmachen" kann man hier kein Geld verdienen, da hast Du absolut recht. Niemand gibt für normale Kleidung das Geld aus, das diese wert wäre...

Als ich schonmal selbständig war, habe ich viel im Bereich Crossdresser/Transvestiten/DWT gemacht. Eine sehr spezielle Sparte, in der die Leute aber sehr die Arbeit schätzen, die man macht und dies eben auch finanziell honorieren.
Aber um überhaupt in diesem Bereich wieder Fuß fassen zu können, muss man Mut und einen sehr langen Atem haben. Ich weiß nicht, ob ich das schaffen würde...

Kantorka:
Hast ne PN, liebe Julya!

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