Schwarzes Hamburg > Politik und Gesellschaft
FDP aus dem Bundestag gefegt - was nun?
Eisbär:
--- Zitat von: SchwarzMetallerHH am 24 September 2013, 13:33:13 ---Galgileo hat aber gesagt, auch Lobbyisten erfüllen einen wichtige Zweck.
Wem soll ich denn nun glauben?
Dir oder dem Fernsehen, das ja bekanntlich immer recht hat?
--- Ende Zitat ---
Kurz gesagt beiden. Das liegt an der Unschärfe des Lobbybegriffs.
Es gibt ja nicht "die" Lobby. Jede Entscheidung für eine Gruppierung bedeutet in der Politik heutzutage einer anderen was wegzunehmen. Die Entscheidung für kein Tempolimit auf Autobahnen ist zB. für die Automobillobby (Produzenten und Fahrer) und gegen die Umweltlobby.
Nichtraucherschutz ist eine Entscheidung gegen die Tabaklobby, für die Gesundheitslobby.
Aufgabe der Politik ist es, die Interessen der verschiedenen Gruppen abzuwägen. Aufgabe von Lobbyisten ist es, für ihre Gruppe das beste herauszuholen, aber auch Politiker in Bereichen zu informieren, in denen sie sich nicht auskennen.
Es ist nur problematisch, dass die Autoindustrie sich natürlich deutlich mehr Lobbyarbeit leisten kann als beispielsweise die Fahrradindustrie oder Umweltverbände.
Das führt dann dazu, dass Politik nur einseitig beeinflusst wird. Die Nichtraucherschutzgesetze der meisten Bundesländer und des Bundes z.B. entsprechen zu 100% den Vorschlagstexten der Tabakindustrie, wie man diese ausgestalten sollte; übrigens inklusive der Rechtschreibfehler.
Die FDP hat nun den Fehler gemacht, sich sehr durch die Lobbyisten der Großkonzerne beeiflussen zu lassen und nicht zu bedenken, welche Wirkung das beim "kleinen Mann" und welchen Eindruck das auf Normalbürger hinterlässt.
colourize:
--- Zitat von: Inverted am 24 September 2013, 17:18:26 ---Die hier herbeigesehnten Bindestrich-Liberalismen haben in der Regel wenig mit Liberalismus zu tun - freie Marktwirtschaft, starke Eigentumsrechte und konsequente Rechtsstaatlichkeit sind elementare Ingredienzen, die zu einer freiheitlich-liberale Gesellschaft gehören wie die Luft zum Atmen.
--- Ende Zitat ---
Diese Einschätzung ist doch offenkundig mit Blick auf die letzten Jahre der parlamentarischen Vertretung des Liberalismus ("FDP") widerlegbar. Ich stehe mit Blick auf das Wahlergebnis wohl alles andere als alleine da, wenn ich feststelle, dass es in Deutschland weit über ein Jahrzehnt als einzige parlamentarische Vertretung des Liberalismus einen Bindestrich-Liberalismus gegeben hat: den Westerwelle-Liberalismus, der sich - wenn man mal den unsäglichen Etatismus zugunsten der Kernklientel und die Vetternwirtschaft für die eigenen Parteigänger außen vor lässt - hinlänglich in dem Wort "Steuersenkungen" erschöpft. Der Westerwelle-Liberalismus kommt ohne ideologischen Überbau des Liberalismus aus, wenn man mal davon absieht dass jeder gefälligst selbst sehen soll wo er bleibt (außer den eigenen Freunden, natürlich). Letzte Vertreter einer umfassenden liberalen Weltanschauung (z.B. Schnarre) wurden im Zweifelsfall überstimmt. Mit einer solchen Weltanschauung ist nun mal kein Staat zu machen (und kein Wähler zu überzeugen), ergo bedarf es sehr tiefgreifenden Reformen in der FDP, wenn sie wiederkommen will.
l3xi:
Herr Kubicki hat im Gespräch mit Lanz gesagt, das er selbst regelmäßig überstimmt wurde, wenn es um den Kurs der Partei in der jüngeren Vergangenheit ging. Auch meinte er, das er sich jetzt wieder verstärkt engagieren will, um einen Wiederaufbau zu ermöglichen. Es gibt also neben - wie von colourize bereits benannt - Schnarre also durchaus noch andere fähige Leute bei den Liberalen.
Es ist geradezu grotesk, wie die FDP-Führung - die Grünen jetzt ja auch nach dem Kahlschlag in der Spitze - partu nicht von den alten Hasen lernen will/wollte.
RaoulDuke:
--- Zitat von: l3xi am 24 September 2013, 16:18:25 ---
--- Zitat von: RaoulDuke am 24 September 2013, 13:12:10 ---Eine Partei, die propagiert, dass man im Wesentlichen für sich selbst verantwortlich ist und keine staatliche Intervention bei Religion, Partnerschaftsmodellen, Bildung, Kultur, Kunst und sonstigen Themen der allgemeinen Lebensführung anstrebt, würde ich schon toll finden. Gibt es aber momentan im Bundestag nicht.
--- Ende Zitat ---
Warum auch? So eine (weitere) Partei braucht es auch gar nicht.
--- Ende Zitat ---
Finde ich schon - vielleicht stehe ich mit der Auffassung alleine da, aber die meisten Parteien versuchen, entsprechend ihres Programmes politisch die verschiedensten Bereiche zu gestalten. Sie möchten dies oder das fördern, dieses oder jenes zurückdrängen und haben eine klare Vorstellung davon, wie das optimale Miteinander im Staate auszusehen habe. Meine Auffassung dazu, und deswegen führe ich das aus wie oben ist - das möchte ich gar nicht. Eine Partei, die sagt, "macht doch alles wie ihr wollt, wir sorgen für die Bereitstellung grundlegender Staatsfunktionen (Recht und Gesetz, Bereitstellung öffentlicher Güter, Sicherheit nach außen und innen), aber sonst lassen wir Euch total in Frieden" - die fehlt mir.
--- Zitat von: l3xi am 24 September 2013, 16:18:25 ---Dieses "Jeder ist für sich selbst verantwortlich" ist Gift für eine Gesellschaft, die das "Miteinander" (größten)teils verlernt hat. Weniger "ich" und mehr "wir" ist da wichtig. Erst recht in so Bereichen wie Bildung und Kultur - nicht nur in der Arbeitswelt. Bereits in der Schule bekommen die Kinder beigebracht, wozu Ellenbogen nützlich sind.
--- Ende Zitat ---
Ich verstehe den politischen Ansatz, die Politik trage die Verantwortung für die "Erziehung" der Gesellschaft zum Guten oder Schlechten, sehr gut - ich teile ihn nur nicht. Es mag einem misanthtropischen Weltbild geschuldet sein, aber die Vorstellung, die Regierung würde uns alle zu mehr Miteinander bringen wollen, halte ich für ausgesprochen gruselig. Aber mal abgesehen von persönlichen Ansichten sei einmal folgende Überlegung angestellt:
Eine demokratische Gesellschaft, die mehr gutes Miteinander von Staats wegen durchsetzen will, wird solche Werte anstreben wollen, die sie eben für gut hält. Entschieden wird über diese Werte von der Mehrheit, die durch Wahl der entsprechenden Politiker eben festlegt, wie diese Werte aussehen. Halten müssen sich dann alle daran, auch die Minderheiten. Aber ist das wirklich das richtige Prinzip? Schlimmstenfalls diktieren 51% der Menschen ihre präferierte Lebensweise 49% der anderen Menschen auf, die dann nicht so leben können, wie sie es gerne wollen. An Recht und Gesetz müssen sich alle halten, und einige Grundwerte sollten natürlich auch Konsens sein, beispielsweise dass sich eine Gesellschaft um ihre Schwachen kümmert. Aber der ganze Rest - was man wann isst, welcher Religion man nachgeht, ob man mit seiner sexuellen Orientierung heiraten darf, was in den Lehrplänen der Kinder steht, welche Filme, Musik oder Videospiele wir oder unsere Kinder sehen dürfen, über welche Themen man lernen möchte oder welche Berufe ausüben, was in meinen Emails steht - das alles sollte den Staat überhaupt nichts angehen, weil die 49% ganz schön doof dastehen, wenn die 51% ihnen sagen, wie die Dinge überall in ihrem Leben zu laufen haben. Daher mein Plädoyer für weniger Staat - funktionierende grundlegende Funktionen statt ewiger Einmischerei überall.
Und wie colourize so schön schrieb:
--- Zitat von: colourize am 22 September 2013, 21:01:20 ---Neben der miesen Politik und den offenkundig unfähigen "Spitzenleuten" in der Partei ist m.E. aber für das Ende der FDP auch ein weiterer Grund verantwortlich: nachdem über Jahrzehnte durch die FDP eine unsolidarische, ja fast sozialdarwinistische, Sozialpolitik á la "wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht" propagiert wurde, erkennen immer mehr Menschen dass diese Politik des Aufkündigens der Solidargemeinschaft nicht der selig machende Weg ist.
--- Ende Zitat ---
Das ist eben das große Mißverständnis: Aufkündigen von Solidargemeinschaften ist nicht nett, und es ist mit meinen obigen Ausführungen auch nicht gemeint. "Aufkündigen von Einmischungsgemeinschaften" wäre vielleicht ein passender Slogan.
--- Zitat von: l3xi am 24 September 2013, 16:18:25 ---Auf dieses "wir zahlen zu viele Steuern" gehe ich gleich gar nicht mehr ein. Nur so viel: Veruntreuung von öffentlichen Geldern und die Höhe einzelner Steuersätze sind zwei paar Schuhe.
--- Ende Zitat ---
Naja, wir brauchen all dieses Geld, weil der Staat so viel ausgibt. Ich werde also auf Basis von Recht und Gesetz gezwungen, Geld in diese unsinnige Elbphilharmonie und den Flughafen BER zustecken, ebenso wie in Stuttgart 21 und in den Kauf von U-Booten und Kampfflugzeugen. Das geht nur, weil der Staat die Knete zuallererst mal hat. Wenn man das Geld so durchbringt, anstatt bei Hartz IV-Empfängern mal auf die eine oder andere Schikane zu verzichten, dann kann man mit Geld eben nicht umgehen und sollte weniger davon bekommen.
Eisbär:
--- Zitat von: RaoulDuke am 25 September 2013, 11:56:26 ---Meine Auffassung dazu, und deswegen führe ich das aus wie oben ist - das möchte ich gar nicht. Eine Partei, die sagt, "macht doch alles wie ihr wollt, wir sorgen für die Bereitstellung grundlegender Staatsfunktionen (Recht und Gesetz, Bereitstellung öffentlicher Güter, Sicherheit nach außen und innen), aber sonst lassen wir Euch total in Frieden" - die fehlt mir.
--- Ende Zitat ---
Das ist doch bei anderen Parteien nicht anders. Die unterscheiden sich doch in erster Linie darin, wie man Recht und Gesetz gestaltet, wie man die Resourcen verteilt und wo man die Grenze zwischen Sicherheit und Freiheit zieht.
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