Was geht es dich an
Wenn dir mein Auge mit trunknem Entzücken
Folget, so weit es dich sehen nur kann.
Wenn deine Worte mich innig beglücken,
Wo ich sie höre - was geht es dich an?
Bist du der Stern mir, der Strahlen versendet
Auf meines Lebens umdüsterte Bahn,
Bist du die Sonne mir, die mich verblendet,
Wenn ich dir gut bin, was geht es dich an?
Bist du die Gottheit, die still ich verehre,
Zu der ich hohes Vertrauen gewann
Und ihr im Herzen errichtet Altäre -
Wenn ich dich liebe, was geht es dich an?
Wenn ich nichts fordre, so musst du es dulden,
Was ich an Opferrauch für dich ersann;
Was ich auch leide, ist nicht dein Verschulden,
Und wenn ich sterbe, so geht's dich nichts an.
Kathinka Zitz
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Mädchens Sehnsucht
Möcht' ein Lied dem Liebsten singen,
dass er tief ins Herz mir sieht;
doch es will mir nicht gelingen,
und mein Sinn ins Weite flieht.
Ob es mir an Tönen fehle?
ob zu Ihm mein Sinn gleich flieht?
Aber meine ganze Seele
ist ein einzig Sehnsuchtslied.
Richard Dehmel
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Nähe des Geliebten
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
Vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer
In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Wege
Der Wandrer bebt.
Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.
Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten die Sterne.
O wärst du da!
J.W. Goethe
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Seit ich ihn gesehen...
Seit ich ihn gesehen,
Glaub’ ich blind zu sein;
Wo ich hin nur blicke,
Seh’ ich ihn allein;
Wie im wachen Traume
Schwebt sein Bild mir vor,
Taucht aus tiefstem Dunkel
Heller nur empor.
Sonst ist licht- und farblos
Alles um mich her,
Nach der Schwestern Spiele
Nicht begehr’ ich mehr,
Möchte lieber weinen
Still im Kämmerlein;
Seit ich ihn gesehen,
Glaub’ich blind zu sein.
Adelbert von Chamisso
