Schwarzes Hamburg > Gedankenaustausch
Haben wir eine Seele?
Kenaz:
--- Zitat von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 12:36:55 ---Natürlich muss unser Körper und mit ihm unser Gehirn (und damit das, was der Materialist so unter "Ich" versteht) auch funktionieren, damit er sich selbst wahrnimmt.
--- Ende Zitat ---
- Das ist eine Frage nach dem Huhn-Ei-Muster: Die Frage, ob das Bewusstsein "nur" eine Funktion des Körpers oder der Körper "nur" eine Funktion des Bewusstseins ist, ist - wie alle "letzten Fragen" - prinzipiell nicht beantwortbar. Aus einem je einem anderen Blickwinkel kann jede Antwort die gleiche Plausibilität beanspruchen: Der Körper ist Funktion des Geistes, insofern der Geist die Basis eines Wahrnehmens/Denkens/Sprechens darstellt, das die Frage nach dem "Körper" überhaupt möglich macht; der Geist ist Funktion des Körpers, insofern wir ihn auf materieller Ebene im Bereich der Körperlichkeit lokalisieren und niemals losgelöst von Biofunktionen antreffen. Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Ich finde es etwas fanatisch, sich so exklusiv nur auf das eine oder andere zu kaprizieren.
--- Zitat von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 12:36:55 ---Ich stimme zwar zu, daß sich da nichts beweisen lässt. Ich sehe aber bislang auch keinen Grund zu der Annahme, daß es anders ist als von Multivac oben ausgeführt (der Post spricht mir insgesamt sehr aus der, äh, Seele).
--- Ende Zitat ---
- Siehst Du, das unterstreicht doch sehr deutlich, dass es eben Geschmacksache ist. Mir geht es genau andersherum: mir spricht die Annahme weitaus mehr aus der Seele, es verhalte sich ziemlich genau andersherum als von Multivac ausgeführt. Mehr als ein Postulat ist es ja nicht. Und das setzt man eben so, wie es einem am besten ins existenzielle Gesamtgemüse passt - von entscheidender Bedeutung ist allerdings, wie gut man seine Konsequenzen in der Folge dann durchhält ...;)
nightnurse:
Ja, ich hatte befürchtet, daß es nicht so einfach gemeint sein konnte, wie es sich zunächst las :D.
Die Huhn-Ei-Problematik wäre mir da wg. materialistisch-naturwissenschaftlicher Denkweise wirklich nicht eingefallen (die Annahme, ein Geist bestünde vor und nach der Existenz des zwischenzeitlich von ihm, ich sag mal: besessenen Körpers, verursache ihn gar...nö, das ist mir zu metaphysisch. Ich kann das für mich nicht als... hilfreichen Gedanken empfinden. Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert ;) ).
colourize:
--- Zitat von: Kenaz am 04 Dezember 2012, 20:33:59 ---
--- Zitat von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 12:36:55 ---Natürlich muss unser Körper und mit ihm unser Gehirn (und damit das, was der Materialist so unter "Ich" versteht) auch funktionieren, damit er sich selbst wahrnimmt.
--- Ende Zitat ---
- Das ist eine Frage nach dem Huhn-Ei-Muster: Die Frage, ob das Bewusstsein "nur" eine Funktion des Körpers oder der Körper "nur" eine Funktion des Bewusstseins ist, ist - wie alle "letzten Fragen" - prinzipiell nicht beantwortbar. Aus einem je einem anderen Blickwinkel kann jede Antwort die gleiche Plausibilität beanspruchen: Der Körper ist Funktion des Geistes, insofern der Geist die Basis eines Wahrnehmens/Denkens/Sprechens darstellt, das die Frage nach dem "Körper" überhaupt möglich macht; der Geist ist Funktion des Körpers, insofern wir ihn auf materieller Ebene im Bereich der Körperlichkeit lokalisieren und niemals losgelöst von Biofunktionen antreffen. Beide Positionen haben ihre Berechtigung. Ich finde es etwas fanatisch, sich so exklusiv nur auf das eine oder andere zu kaprizieren.
--- Ende Zitat ---
Mag sein, aber nicht beide Positionen sind gleich wahrscheinlich. Zumindest gibt es offenkundig für die eine mehr empirische Evidenzen und zudem nicht gerade wenige theoretische Argumente. Da ich davon ausgehe, dass Du mit den von Dir eher gering geschätzten Naturwissenschaften(*) nicht so gern behelligt werden willst, verweise ich mal exemplarisch auf einen theoretischen Ansatz, nämlich den von Arnold Gehlen, der Dir mit Sicherheit nicht unbekannt sein dürfte. Ganz offensichtlich folgt aus seiner Annahme, dass der Mensch biologisch gesehen (im Gegensatz zu Tieren) unvollkommen und mängelbehaftet sei, erst die Notwendigkeit zur Herausbildung eines Geistes (und in Folge dessen der Kultur), mit dessen Hilfe die bestehenden Mängel kompensiert werden können. Die Eigenschaft des Körpers (genau gesagt: seine Unvollkommenheit) ist damit die Basis für den Geist.
(*) In diesem Kontext wüsste ich mal gerne den Grund Deiner immer wieder zu Tage tretenden Abneigung gegen naturwissenschaftlich fundierte Deutungsmuster. Steht da ein wissenschaftstheoretisches Argument (wie die Ablehnung der Positivismus) dahinter oder fußt Deine Zurückweisung der Naturwissenschaften ausschließlich auf Deiner eigenen Ethik?
Kenaz:
--- Zitat von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 20:55:57 ---Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert ;) ).
--- Ende Zitat ---
- Finde ich kein bisschen, ganz im Gegenteil: Aufgrund seiner unmittelbaren Plausibilität - die manch einem halt eine Spur zu plausibel ist - entkompliziert er das Weltbild ungemein.
--- Zitat von: colourize am 04 Dezember 2012, 21:02:14 ---Mag sein, aber nicht beide Positionen sind gleich wahrscheinlich.
--- Ende Zitat ---
- Auch das ist lediglich eine Frage des Standpunktes: Ich finde meine Position sogar extrem "wahrscheinlich" - eigentlich finde ich sie sogar evident. Ist aber ein bisschen wie der Wald, den man vor lauter Bäumen bisweilen aus den Augen verliert.
--- Zitat von: colourize am 04 Dezember 2012, 21:02:14 ---Zumindest gibt es offenkundig für die eine mehr empirische Evidenzen und zudem nicht gerade wenige theoretische Argumente.
--- Ende Zitat ---
- Die "empirischen Evidenzen" verfangen nur auf der Ebene des objektivistischen Weltbildes, auf existenzieller Ebene hingegen können sie nur einen sehr geringen Erkenntnisgewinn für sich beanspruchen, da der Einzelne, der sich als "ICH" wahrnimmt, "nicht um seine eigene Ecke sehen kann", um dieses schöne Wort von Nietzsche zu bemühen. Und theoretische Argumente gibt es für beide Positionen en masse. Keins kann die jeweiligen Gegenpostion erschöpfend widerlegen, es gibt lediglich solche, die elegant, und solche die plump konstruiert sind.
--- Zitat von: colourize am 04 Dezember 2012, 21:02:14 ---Die Eigenschaft des Körpers (genau gesagt: seine Unvollkommenheit) ist damit die Basis für den Geist.
--- Ende Zitat ---
- Der Begriff der Unvollkommenheit ist aus rein materiellen Grundlagen überhaupt nicht ableitbar, sondern fußt eo ipso auf axiologischen, respektive geistigen Prinzipien, will heißen: hier versucht der Geist sich die Mittel an die Hand zu schummeln, um sich selbst zu marginalisieren, ja: exekutieren.
--- Zitat von: colourize am 04 Dezember 2012, 21:02:14 ---In diesem Kontext wüsste ich mal gerne den Grund Deiner immer wieder zu Tage tretenden Abneigung gegen naturwissenschaftlich fundierte Deutungsmuster. Steht da ein wissenschaftstheoretisches Argument (wie die Ablehnung der Positivismus) dahinter oder fußt Deine Zurückweisung der Naturwissenschaften ausschließlich auf Deiner eigenen Ethik?
--- Ende Zitat ---
- Du hast da was ziemlich falsch verstanden. Es kann von meiner Seite keine Rede sein von einer "Zurückweisung der Naturwissenschaften". Es geht mir lediglich um eine Relativierung ihres, immer totalitärer um sich greifenden Anspruches auf absolute Deutungshoheit in einfach allen Bereichen. Dass die Naturwissenschaften auf der Ebene die ihnen zukommt, durchaus nützlich und erhellend sind, wollte & will ich mit keiner Silbe bestritten haben. Ich hege lediglich eine ausgeprägte Aversion gegen absolute Machtansprüche. ;)
nightnurse:
--- Zitat von: Kenaz am 04 Dezember 2012, 21:34:29 ---
--- Zitat von: nightnurse am 04 Dezember 2012, 20:55:57 ---Macht auch das Weltbild unnötig kompliziert ;) ).
--- Ende Zitat ---
- Finde ich kein bisschen, ganz im Gegenteil: Aufgrund seiner unmittelbaren Plausibilität - die manch einem halt eine Spur zu plausibel ist - entkompliziert er das Weltbild ungemein.
--- Ende Zitat ---
Nö. Mir erschließt sich diese "Plausibilität" einfach nicht.
Naturwissenschaftlich gesehen haben wir eine in sich einigermaßen schlüssige Theorie zur Entstehung und zum Funktionieren der Welt (an der beständig geforscht und entwickelt wird und weeeeer weiss, jaja).
Wenn wir jetzt aber annähmen, da sei noch sowas wie die Seele, ergäben sich daraus, wie schon erwähnt, eine Menge Fragen, z.B.:
Hat jeder eine eigene? Oder werden Seelen, wie vielfach angenommen, recycled? Wenn ja, nach welchen Mechanismen? Wenn so ne Seele unsterblich ist, wohin geht sie, wenn es den Körper nicht mehr gibt? Und wo war sie vorher? Oder entstehen sie in Kombination mit dem Körper? Woher kommen sie sonst, wie sind sie entstanden? Gibt es davon genug für alle, die da noch kommen werden? Wie kommt das? (Das alles potenziert sich noch, wenn man allem Lebendigen eine Seele zuspricht)
Das fände ich nun schon ziemlich kompliziert.
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