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Leben, Tod und das, was dazwischenliegt

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Kaffeebohne:

--- Zitat von: Kenaz am 06 November 2012, 22:35:40 ---
--- Zitat von: Kaffeebohne am 06 November 2012, 20:05:14 ---Wenn einem Menschen damit aber das Leben gerettet oder zumindest deutlich erleichtert wird, dann wäre ich nicht "umsonst gestorben".
--- Ende Zitat ---

WARUM eigentlich, wenn ich mal so ketzerisch fragen darf? Es wird immer so gerne als eine völlig selbstverständliche Evidenz hingestellt, als ob "das Leben" ein Wert an sich sei, der nicht weiter hinterfragt werden könne/dürfe und uuuunbedingt & auf Teufelkommraus erhaltenswert sei?

--- Ende Zitat ---
Persönliches Empfinden. Für mich ist das Leben ein sehr kostbares Gut. Ich selbst möchte am liebsten lange & dabei gesund leben. Sollte ich aber versterben, dann ist das eben "der Lauf der Dinge". Ich würde ja nicht sterben, DAMIT ein "Honk" weiterleben kann. Klar kann ich mir auch Menschen vorstellen, die mir unsympathisch sind. Aber von einigen Extrembeispielen mal abgesehen, sehe ich jeden Menschen als einen Menschen an. Einen Menschen, der genauso wie ich an seinem Leben hängt.

Klar habe ich auch meine Werte und messe andere Menschen auch daran. Aber das geht nicht über eine persönliche Sympathie hinaus. Das heißt, ich entscheide aufgrund dieser, mit wem ich mich im Alltag umgeben möchte. Eine Entscheidung, welcher Mensch leben darf oder nicht, will ich nicht treffen.

Taéra:
Ich habe mich schon sehr früh für die Organspende entschieden. Wie ich später durch Zufall feststellte, hatte ich bereits meinen Ausweis in der Tasche, als ich vom Alter her noch gar nicht hätte spenden dürfen bzw. selber noch keine Entscheidungsbefugnis darüber hatte... Aber egal. ^^

Ich habe da eher die Einstellung, dass man mit meinem Körper machen darf, was die Lebenden eben wollen. Ist mir egal, ich bin dann tot. Und mein Körper ist es nicht, an dem meine Liebsten dann festhalten sollen.
Und über die Debatte, ab wann man denn nun als tot gilt, mache ich mir auch eher weniger Gedanken dabei. Da ich auch keine lebenserhaltenden Maßnahmen wünsche, ist es mir egal, ob mein Herz noch schlägt, aber mein Hirn schon ausgesetzt hat. Sobald ich nicht mehr ganz natürlich Leben kann, komplett ans Bett gefesselt bin und mich nicht mehr richtig mit meiner Außenwelt verständigen kann, bevorzuge ich den Tod.
Und dass meine Organe Menschen helfen, die es wirklich brauchen und auch verdient haben, daran will ich gar nicht zweifeln.
Und selbst wenn ich "nur" für Versuchs- oder Übungszwecke auf einem Tisch vor Medizinstudenten landen sollte (man weiß ja nie, was noch so kommen könnte^^) wäre mir das recht.
Es ist alles sinnvoller als im Erdreich zu verwesen.

Kenaz:

--- Zitat von: messie am 07 November 2012, 01:16:51 ---[...] vielleicht hat ja irgendwann mal jemand einem nicht seine Niere gespendet, dem im Anschluss daran sein Vorhaben, Hitler umzulegen kurz vorm zweiten Weltkrieg, gelungen wäre?
--- Ende Zitat ---
- Um die vom Kollegen colourize bereits geäußerte - und von mir im Grundsatz durchaus geteilte - These von der prinzipiellen Nicht-Aufrechenbarkeit persönlicher Taten und dem "Wert" des damit verbundenen, individuellen Lebens aus lauter Jux & Dollerei mal auf die provokante Spitze zu treiben: Wieso gilt eigentlich diese Apotheose des Lebens, die hier gerade abgefeiert wird, schon wieder für alle außer Hitler - wohlgemerkt: bevor (!) er den Zweiten Weltkrieg losgetreten hat (ihm also alles nach dem 1. September 1939 noch gar nicht aufs Brot geschmiert werden kann, weil's noch nicht geschehen wäre)? Ich dachte, "ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte [...] unabhängig von seinen Taten sein"?  :o  Jetzt also doch nur mit Einschränkung?  :o

Und wieviel genau muss einer verbockt haben, damit er sein "unbedingtes Recht auf (Weiter-)Leben" verwirkt hat? Frau verdreschen? Oma ertränken? Kinder schänden? Serienkiller? Massenmörder? Völkermörder? - Wo genau verläuft denn die Grenze, ab der wir unsere schöngeistigen Prinzipien über Bord werfen und schreien: "Der hat den Tod verdient"? Oder zieht hier nur wieder die alte Nazi-Klausel: "Alle dürfen weiterleben, nur die Faschos nicht, weil Faschismus ist ja ein Verbrechen und keine Meinung"? - Das wäre dann allerdings ein seltsames "Prinzip".  ::)  Ich bitte höflichst um Erläuterung.


--- Zitat von: messie am 07 November 2012, 01:16:51 ---Genug um klarzustellen, dass diese "hätte, wäre, könnte"-Argumentation null komma gar nix bringt? ;)
--- Ende Zitat ---
- Diese "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation bringt durchaus so einiges und ich erkläre Dir auch gerne, was genau, lieber messie: Ebensowenig nämlich, wie ich bereit bin, auf der Straße jedem Dahergelaufenen, der mich gerade dazu auffordert, 'nen Euro in die Hand zu drücken, schmeckt mir der Gedanke, meine Organe irgend jemandem zu überlassen, über den ich rein gar nichts weiß und der möglicherweise für Dinge eintritt, die ich zutiefst verachte und verabscheue. Ich spreche mich nämlich nicht prinzipiell gegen die Organtransplantation aus, sondern trete für ein Bestimmungsrecht des Spenders über die von ihm gespendeten Organe ein, das ist ein kleiner Unterschied. Und vor diesem Hintergrund finde ich die "Hätte, wäre, könnte"-Argumentation einer Entscheidungsfindung durchaus förderlich.


--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 07:44:46 ---Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
--- Ende Zitat ---
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.


--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 07:44:46 ---Vielleicht sollte man aber tatsächlich die Konsequenzen ziehen und daraus ein geschlossenes System machen? Das hieße, nur wer vor Ausbruch seiner Erkrankung bereits eine bestimmte Zeit als Spender registriert ist, hätte selbst ein Anrecht auf eine Transplantation.
--- Ende Zitat ---
- Diesen Gedanken finde ich persönlich gar nicht so übel. Ist auf jeden Fall konsequent und nimmt den einzelnen in seiner Entscheidung mit all ihren Konsequenzen absolut ernst. - Auch wenn's freilich wieder auf Prinzipienreiterei hinausläuft ...  ::)

colourize:

--- Zitat von: Kenaz am 07 November 2012, 06:37:51 ---
--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 00:03:17 ---Ob ein Mensch die Chance hat weiterzuleben sollte m.E. unabhängig von seinen Taten sein.
--- Ende Zitat ---

- Prinzipiell bin ich geneigt, Dir recht zu geben, die Frage ist nur, inwieweit dem einzelnen eine moralische Pflicht daraus gebastelt werden kann, sein Allereigenstes - und viel "eigener" als sein Körper ist nur noch seine Seele, was auch immer das genau bezeichnet - dafür herzugeben, diese Chance jedem unter völliger Ausblendung seiner Person einzuräumen. Ich würde den Satz lieber so formulieren: Jeder Mensch hat unabhängig von seinen Taten das Recht weiterzuleben, aber es besteht keine Pflicht für jeden Menschen, jedem unter allen Umständen und mit allen Mitteln dieses Weiterleben zu ermöglichen.
--- Ende Zitat ---
Vollste Zustimmung.

Wobei sich m.E. die Frage stellt, ob wir Hirntoten diese Entscheidungskompetenz zusprechen wollen. Das Dumme bei der Sache ist ja, dass der Organspender im Regelfall nicht befragt werden kann, wer unter den wartenden Patienten sein Organ erhalten soll.



--- Zitat von: Kenaz am 07 November 2012, 06:37:51 ---
--- Zitat von: colourize am 07 November 2012, 00:03:17 ---Andernfalls müsste ich ja im Umkehrschluss auch Menschen, die Frauen verdreschen, Kinder misshandeln oder Omas ertränken ein geringeres Recht auf Leben beimessen als Menschen, die das nicht tun.
--- Ende Zitat ---

- Durchaus richtig ja. Um die Frage jedoch ein bisschen unappetitlich zuzuspitzen: Nehmen wir an, Du hast zwei Menschen vor Dir, einen Frauenverdrescher und Omaertränker und einen Frauenstreichler und Omaüberdiestraßebegleiter - Du kannst nur einen mit Deiner Niere retten: bei wem würdest Du sagen, ist sie besser aufgehoben? Was ich damit sagen will: Es gibt Grenzen des "objektiven", ganz und gar neutralen Urteils und wir sollten im Interesse einer gewissen Redlichkeit aufhören so zu tun, als gäbe es die nicht.
--- Ende Zitat ---

Mag ja sein, aber das ist doch eher eine Gedankenspielerei. Wie schon gesagt: Organspender können nicht mehr befragt werden, wer ihre Organe erhalten soll. In der Praxis bekommt übrigens mit hoher Wahrscheinlichkeit derjenige das Organ, der über das höchste soziale Kapital verfügt. Respektive der, der den richtigen Arzt am schlausten zu bestechen weiß. Schon alleine auf Grund dessen sind etwaige Überlegungen über die Wertigkeit von Menschen im Kontext der konkreten Fragestellung eine ziemlich akademische Diskussion. ;) Fürst von Thurn und Taxis wird vermutlich knapp vor Dieter Hundt oder Josef Ackermann mit frischen Organen versorgt, und diese vermutlich deutlich vor dem Chef des örtlichen Opel-Autohauses. Als Kassenpatient stehst Du eh am Ende der Innereiennahrungkette und Dein linkenwählender Hartzer wird eh niemals in den Genuss eines frischen Herzens kommen - geschweige denn in die von Doppelherz, so wie Fürst von Thurn und Taxis.

CubistVowel:

--- Zitat von: Kenaz am 07 November 2012, 14:17:07 ---
--- Zitat von: CubistVowel am 07 November 2012, 07:44:46 ---Ich hoffe für all diejenigen, die gegen Organspenden sind, dass sie niemals in so eine schlimme, schmerzhafte und ausweglose Lage geraten, dass ein neues Organ das letzte Mittel ist. Dann ist es übrigens meistens auch schnell vorbei mit dem großen Maul.
--- Ende Zitat ---
- Mir ist zwar nicht ganz klar, von welchem "großen Maul" Du hier sprichst, ich denke aber, dass die individuelle Entscheidung des einzelnen Menschen in dieser Hinsicht - und gerade in dieser! - unbedingt zu respektieren ist: Hat was mit der - bis jetzt noch ... - unveräußerlichen Würde des Menschen und Respekt vor dem Individuum zu tun. Alles andere mündet in diktatorische Strukturen; und die bilden sich immer dann, wenn das Prinzip - egal, wie es aussieht - über den einzelnen Menschen gestellt wird. Mit dem Primat irgendwelcher abstrakter Prinzipen beginnt der Terror, das lehrt die Geschichte anhand unzähliger Beispiele.

--- Ende Zitat ---

Ich sehe das nicht anders. Das "große Maul" bezog sich nicht auf dich, ich hatte erstens nicht den Eindruck, du seiest prinzipiell gegen Organspenden und zweitens fand ich deine Fragestellung, wenn auch krass formuliert, so doch legitim und interessant. Lass es mich also umformulieren:

Ich denke, dass viele, die sich (hier oder anderswo) gegen Organspenden aussprechen, weil es sie im Moment selbst nicht betrifft und sie sich nicht in die Lage eines Todkranken hineinversetzen können oder wollen - ich bin überzeugt, die Mehrzahl von denen wird sich bei eigener schwerer Erkrankung (oder des Kindes oder Partners...) dennoch für das Weiterleben mit einem fremden Organ entscheiden. Solange man halbwegs gesund ist, kann man prima rumtönen, dass man gegen [beliebige Medizin] ist. Wenn man aber selbst auf Platz 1028 der Liste hockt, wünscht man sich garantiert, man hätte ein paar weniger Leute vom Spenden abgehalten.

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