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Verbot von religiösen Beschneidungen?

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Kallisti:
Tja - sollen wir da weibliche Genitalverstümmelung (FGM - Female Genital Mutilation) gleich mitberücksichtigen oder geht´s erst mal - nur/wieder - um die Jungs?

Bei Jungs is meine Position:

Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit und kein Mensch weiß, ob der Bub als Mann sein Hautstückchen vielleicht doch vermisst.
Wenn, dann aus medizinischen Gründen (Phimose), aus religiösen lehne ich sowas eher ab - kommt natürlich immer drauf an, genau: wie einschneidend  ::) das ist - wie was jeweils wann durchgeführt wird.

Denn es gibt ja auch allerlei anderes, das wohl z.B. bei "Naturvölkern" so praktiziert wird - irgendwelche Riten am/mit dem Körper, bestimmt auch das Ein oder Andere schon bei Kindern, nicht erst Jugendlichen (um den Übergang zu feiern ...).

Meine Kriterien sind also immer:

Hat es negative (gesundheitliche, emotionale) Folgen, auch Spätfolgen für den Mensch, also beeinträchtigt es den Mensch erwartbar/voraussehbar/wahrscheinlich deutlich negativ oder schädigt es ihn sogar? - Dann natürlich nicht: durchführen, logn.

Wird es so durchgeführt, dass es mit Schmerzen verbunden ist oder gar traumatisieren kann (wie FGM, siehe oben)? Dann natürlich auch nicht: durchführen.


Man kann sich aber z.B. auch schon fragen, ob man Babies (!) oder Kleinkindern (hier zumeist Mädchen) Ohrlöcher stechen lässt - ob das nicht auch schon zu weit geht (ich würd es nicht machen, mach es nicht - bei meinen kids).

Denn klar is immer die Frage auch, ob der Mensch später selber damit glücklich ist - mit einer solchen Entscheidung der Eltern, mit diversen "Eingriffen", die nicht "notwendig" sind. Also: Selbstbestimmungsrecht/Selbstverfügungsrecht.


Was die Beschneidung speziell bei Jungs angeht: Ich finde das eigentlich nicht weiter tragisch, wenn:

es so gemacht wird, dass es medizinisch einwandfrei in Ordnung ist, der Junge davon nicht viel mitbekommt, sowieso keine körperlichen Schmerzen.

Denn die Beschneidung hat ja auch durchaus "hygienische Gründe" (jajajajaja, mann kann das auch mit Vorhaut, is schon klar) und ich persönlich ... nun ja, was die Optik angeht ... dazu äußerte ich mich glaube ich schon mal ziemlich deutlich an anderer Stelle.  8)  :) Von daher hat es eigentlich eher nur Vorteile, wie ich finde.


Mit weiblicher "Beschneidung" bzw. Verstümmelung sieht es da natürlich völlig total anders aus.

Julya:
Die Sache mit den Ohrlöchern bei Kleinkindern oder sogar Babies finde ich genauso schlimm! Ich bin durch Zufall auf Youtube mal auf diverse Videos gestoßen, die Eltern von ihrem brüllenden Baby gemacht haben, während das Kind mit der Pistole (!) die Ohren durchgeschossen bekommt! :o Da kriege ich die blanke Wut!
Mag ja sein, dass ein Kind sowas schnell wieder vergisst (was ja immer das Argument dieser eitlen Eltern ist), aber heutzutage ist man ja nun wirklich weit genug, dass man weiß, dass sowas auch unterbewusst Schäden verursachen kann. ("Meine Mama lässt zu, dass mir jemand in ihren Armen liegend Schmerzen zufügt!")

Und was ich jetzt erst im TV gesehen habe: Die Beschneidung wird oftmals ohne Betäubung durchgeführt. Es soll zwar nicht sehr stark schmerzen, aber was macht denn das mit einem Jungen, der sich vor jubelnden Menschen von einem Geistlichen ein Stück seines Penis' abschneiden lassen muss!? :o





edit: Tippfehler

Kallisti:

--- Zitat ---Jeder Mensch sollte sich mit Erreichen der Volljährigkeit seine Religion und die daraus folgenden Konsequenzen ("Körperverletzungen, diverse Einschränkungen im Alltag, etc.) selbst aussuchen dürfen. Dazu gehören auch sämtliche Rituale wie Taufe, Kommunion, Konfirmation, usw.
--- Ende Zitat ---
Julya

Ja, das ist so an sich durchaus richtig, allerdings geht es praktisch nur schwer umzusetzen.

Beispiel:
Meine Kinder sind beide nicht getauft (Sohn auch nicht konfirmiert oder "sowas" ;) ) - weil ich natürlich auch dachte: sollen sie sich selber aussuchen, wenn sie alt genug sind.
Aber das ist nur bedingt möglich, denn sie leben ja bei/mit ihren Eltern/Familie und bekommen da einfach viel mit, werden also trotzdem "indirekt" durchaus ja beeinflusst (wenn nicht: geprägt)!

Mein Sohn hatte mit "Gott" eher nichts am Hut, ganz anders meine Tochter (hat es aus dem Kiga mit nach Hause gebracht und hat auch schon sehr früh Thema Tod/Sterben angesprochen ... - kannte ich von Sohn überhaupt nicht). Schwierig, da "neutral" zu bleiben, wenn man selbst nicht "dran glaubt" ... Also: man vermittelt ja so oder so trotzdem was - auch wenn man versucht, "neutral" zu sein - man ist es nicht und  ich meine: man muss das auch nicht unbedingt, weil man es gar nicht kann. Die Frage ist immer nur, wie weit das geht: der eigene Glaube oder Nichtreligiösität, wie stark das das Leben/den Alltag beeinträchtigt und wie weit das also dann für das Kind auch ggf. negative Konsequenzen nach sich zieht (das Praktizieren des "familiären" Glaubens/der Religion oder das Fehlen von Religion oder Spiritualität).

Man muss da schon auch auf die Bedürfnisse des Kindes gucken und dann ist es immer noch nicht so einfach, damit angemessen umzugehen.  :-\   ;)

Verstehst du, was ich sagen will? - Keinen Glauben zu haben/zu praktizieren, kann u.U. für das Kind auch "negativ" sein - wie eben auch extrem gläubig/religiös zu sein - so oder so: das Kind hat nicht wirklich die Möglichkeit, tatsächlich ganz unbeeinflusst aufzuwachsen und zu entscheiden - es ist immer irgendwie geprägt bzw. mindestens eben: beeinflusst.

Julya:
Ja, ich verstehe gut, was Du meinst.
Ich selber bin sehr christlich erzogen worden. Taufe mit vier Jahren (damit ich mich daran erinnern kann), Kindergottesdienst über Jaaahre, Konfirmandenunterricht, Konfirmation, Religionsunterricht, dann habe ich zwischen meinem 14. und 15. Lebensjahre selbst den Kindergottesdienst mit geleitet. Ich wurde komplett in dieser Kirche erzogen. Zum Glück "nur" evangelisch. Dennoch habe ich mich tatsächlich jahrelang verfolgt gefühlt, weil mir immer eingetrichtert wurde "Gott sieht aaaalles!!!" Das ist doch total gruselig! Jedes Mal, wenn ich etwas tat, was eigentlich verboten war (unter der Decke lesen, länger aufbleiben, auf dem Schrottplatz spielen,...), hat mich jedes Mal ein starkes schlechtes Gewissen geplagt, weil ich ja NIE unbeobachtet war.
Und so habe ich mich später dann derart konsequent von der Kirche abgewandt, dass ich kein christliches Fest (Weihnachten, Ostern, Pfingsten) mehr feiere, weil der Glauben für mich nur Nachteile hatte und absolut nichts Tröstliches oder Beschützendes oder Beruhigendes. Ganz im Gegenteil, es war irgendwie eine latente Bedrohung durch ein unsichtbares Wesen, auf dessen Gnade man angewiesen ist.


Natürlich kann man Religion nicht aus dem Leben der meisten Kinder raushalten, aber Moral, Ethik und Philosophie sind in meinen Augen zig Mal wichtiger und sinnvoller, als sich irgendwelchen von Menschen ausgedachten Riten unterwerfen zu müssen. Sowas macht/hält die Kinder klein und stärkt nicht grade das Selbstbewusstsein oder den Willen, sich eine eigene Weltanschauung aufzubauen.



edit: Tippfehler

messie:
Ist ein schwieriges Thema.

Diverse Riten in Religionen kommen häufig gar nicht mal von ungefähr, sie haben nicht selten einen realen Hintergrund.
So ist das Verbot des Essens von Schweinefleisch im Islam nicht so unsinnig, wie es auf den ersten Blick scheinen mag: In jener Zeit und vor allem an jenem Ort, an dem der Koran entstand, verdirbt Schweinefleisch im Vergleich zu anderen Fleischsorten sehr viel schneller. Es zu essen bedeutete schlicht Gefahr für die Menschen. Naheliegend, dass es dann in einem Verbot in einem religiösen Werk gipfelte.

Ähnliches vermute ich bei Beschneidungen: Sie sind manchmal ohnehin notwendig bei Phimose, Vorhautverklebung etc., zudem ist es aber ja auch ein klarer hygienischer Akt; die Gefahr von Bakterienbefall unter der Vorhaut wird hiermit dauerhaft gebannt.
Kurzum: Das Ritual kann aus hygienischen Gründen existieren. Und damit wären es nicht mehr nur ein rein religiöser Grund.

Dennoch bin ich, wie all meine Vorschreiber, gegen den Eingriff.
Denn er ist ja nicht nur nicht mehr rückgängig zu machen. Er verändert auch die Sexualität eines Menschen, und das auf Lebenszeit. Problematisch vor allem dann wenn diese bei manchen später dann tatsächlich problematisch wird, immerhin ist der Hauptreiz beim Mann, die Stimulation der Eichel nach dem Zurückziehen der Vorhaut, nicht mehr gegeben. Da ist dann nix mehr mit "na dann nähen wir halt mal wieder frische an".

Kurzum: Selbst wenn es nicht aus religiösen, sondern aus hygienischen Gründen wäre, selbst dann wäre ich gegen den Eingriff.

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