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Privatisierung, Entdemokratisierung, Lobbyismus...

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CubistVowel:
...Monopolisierung und Werteverfall -

- zunächst am Beispiel des deutschen Gesundheitssystems. Ein langer Artikel von Hausarzt und CSU-Politiker Jan Erik Döllein. Der erste Teil entstand 2008 und befasst sich hauptsächlich mit den Folgen bzw. den zu erwartenden Auswirkungen der laufendenden Privatisierung des Gesundheitssystems und der Macht des Bertelsmann-Konzerns.

Im zweiten Teil befasst sich der Autor allgemeiner mit dem Ausverkauf der Demokratie und der Reduzierung des Menschen auf seinen Marktwert und fragt sich, ob man die essentielle Daseinsvorsorge (z. B. Elektrizitäts-, Wasser-, Gasversorgung, Bildung und Kultur, Kommunikation, Wohnen, Beförderung und Verkehrswesen, Gesundheitssystem, Rentenversicherung und Pflege) großen Konzernen und (Quasi-)Monopolisten überlassen darf:

http://www.arztwiki.de/wiki/Jan_Erik_D%C3%B6llein#Texte_von_D.C3.B6llein

Zitate daraus: "Für die Querleser trotzdem eine kurze Zusammenfassung:
1. Die Grundstruktur unseres Landes wurde und wird komplett verändert. An die Stelle einer sozialen Marktwirtschaft tritt die Politik des Sozialdarwinismus, der die Schwachen noch schwächer und die Starken noch stärker machen soll. 2. Die im Grundgesetz verankerte parlamentarische Demokratie bleibt wie eine Fassade davor stehen und dient allein dazu, den Strukturwandel unseres Landes zu überwachen und Verstöße zu verfolgen. Dem einzelnen Bürger dient sie immer weniger. 3. Die selbsternannten Eliten unseres Landes bestimmen diese Veränderung über mächtigen Lobbyismus, der in allen Bundesministerien zuhause ist, der die wenigen politischen Entscheidungsträger konsequent führt oder bei Zuwiderhandlung zerstört. Viele Lobbyisten arbeiten direkt als „Leihbeamte“ in allen Ministerien und stellen die Weichen für ihre Arbeitgeber. 4. Das Ziel ist die komplette Vermarktung des Bürgers sowie dessen Kontrolle in allen Lebensphasen und die Umwandlung zu einem gefügigen Angestellten der Firma Deutschland. 5. Soziale Wärme, Solidarität und Gerechtigkeit werden als Hemmnis dieser Entwicklung verstanden und sollen zerstört werden. 6. Diese Politik betrifft nicht nur Deutschland, auch wenn wir es wieder am perfektesten veranstalten, sondern die ganze Welt und sie drückt aus, was wirklich unter dem Begriff der „Globalisierung“ zu verstehen ist.

[...]

Das ist das Problem unserer Zeit, immer mehr Bestandteile unseres täglichen Lebens gehören immer weniger Besitzern. Ich kann das gerne in verschiedensten Bereichen tolerieren, bei Gütern, die mir, wie bei den oben genannten Getränken freie Entscheidung lassen, aber in keinem Fall dürfen Grenzen überschritten werden, die die Individualität des Einzelnen verletzen, die das Leben und Überleben des einzelnen Bürgers als Wert in die Hände von Kapitalgesellschaften überantworten."

--------

Ein langer, aber lesenswerter Artikel. Hin und wieder etwas mit überflüssiger Polemik behaftet, was den Wahrheitsgehalt (leider) nicht vermindert.

Mir wird selbst ganz flau, wenn ich daran denke, dass in Großbritannien, einem der Vorreiter des Privatisierungswahns, in einigen Counties sogar die Polizei bzw. große Teile der Polizeiarbeit verstaatlicht wurden/werden sollen. Auch in Deutschland ist bereits eine Privatisierung einiger bisher staatshoheitlicher Aufgaben im Gespräch, z. B. die der Gerichtsvollzieher.

(Außerdem habe ich für mich persönlich festgestellt, dass es sich bestimmt lohnt, sich eingehender mit der Macht und Struktur des unfassbar mächtigen und einflussreichen Bertelsmann-Konzerns zu befassen - da habe ich unter Anderem schon mal diese Webseite auf der Liste:
http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm)

CubistVowel:
Einen großen Schritt in Richtung Entdemokratisierung könnte auch der Abschluss des "Fiskalpaktes" bedeuten - offensichtlich würden den Parlamenten, den gewählten Voksvertretern, unwiderruflich große Teile des Haushaltsrechts entzogen und bei "Fehlverhalten" durch Automatismen und/oder Entscheidungen der EU-Kommision ersetzt. Zur Kritik am "Fiskalpakt" siehe dieses Interview mit einem Attac-Sprecher: Selbstentmachtung der Parlamente: Der Fiskalpakt und die autoritäre Tranformation der EU

Kenaz:
Da ich gerade von der Arbeit komme und nicht mehr der Allerfitteste bin, hab' ich jetzt nur eben kurz die geposteten Zusammenfassungen gelesen. Die dort skizzierten Analysen kann ich jedenfalls vollumfänglich unterschreiben - und frage mich gleichzeitig: Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?! Dass dieser Prozess in vollem, galoppierenden Gange ist, sieht doch schon seit geraumer Zeit ein Blinder mit Krückstock!

Nicht zuletzt deshalb sage ich übrigens auch mit voller Inbrunst "Nein!" zur EU und dem ganzen Europagehubere - da geht es ausschließlich um die Auflösung nationaler und kultureller Verbundstrukturen, und zwar zu einem einzigen Zweck: Einer möglichst allumfassenden Ökonomisierung von allen & allem. Der Mensch soll ausgebeutet werden in allen Bereichen seines Seins. Und das funktioniert nun mal am besten mit entwurzelten und bezugslosen Individuen. ... Und die Forcierung dieses Entwurzelungsprozesses, die haben "sie" schon ganz gut hinbekommen: Hut ab, Hut auf! Und gleichzeitig blasen sie Euch die Ohren mit ihrem "einigen Europa" zu, dem Land ohne Grenzen, in dem bald Milch & Honig fließen soll, wenn auch alle hübsch brav mitmachen. - Dass ich nicht grimmig gackere!  ;D

Man wird noch ziemlich dicke Backen machen in diesem unserem Lande ...  ::)

NoName:

--- Zitat von: Kenaz am 07 Mai 2012, 21:22:13 ---... Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?! ...
--- Ende Zitat ---
Also mich wundert es nicht. Da ich die Entwicklung aber für unumkehrbar halte, versuche ich möglichst nicht an all diese Dinge zu denken, obwohl es sehr schwer ist dem zu entkommen. Es springt einem überall ins Auge...
Und wenn ich dann daran denke, wie die "mündigen Bürger" hier alle paar Jahre treu und brav zur Wahl gehen und diesen Irrsinn "legetimieren", das ist zum haareraufen.


--- Zitat ---Man wird noch ziemlich dicke Backen machen in diesem unserem Lande ...  ::)
--- Ende Zitat ---
Nicht genügend, die Masse wird "zufrieden" sein, wenn ihr Zuckerbrot und Spiele geboten werden. Mal sehen, was in den Wochen während die Fußball EM läuft an Schweinereien auf den Weg gebracht werden...

CubistVowel:

--- Zitat von: Kenaz am 07 Mai 2012, 21:22:13 ---Dass dieser Prozess in vollem, galoppierenden Gange ist, sieht doch schon seit geraumer Zeit ein Blinder mit Krückstock!
--- Ende Zitat ---

Ich fürchte allerdings, die meisten Leute bemerken das gar nicht. Schließlich ist die Medienlandschaft zu großen Teilen in den Händen einiger Weniger - die, wie Friede Springer und Liz Mohn (Bertelsmann), großen Einfluss auf unsere Politiker nehmen; einerseits durch Händchenhalten beim Kaffeekränzchen, andererseits durch die Macht dieser Medien Karrieren sowohl aufbauen als auch zerstören zu können. Diese und andere extrem (einfluss)reichen "gemeinnützigen" Stiftungen steuern seit vielen Jahren oder Jahrzehnten die Richtung, in die die Politik geht. Und bringen durch ihre Medien, "Studien"ergebnisse und Bürger-Politiker-Plattformen (z. B. Bertelsmanns arvato) die Wähler auf die gewünschte Linie.


--- Zitat von: Kenaz am 07 Mai 2012, 21:22:13 --- Wundert das hier allen Ernstes irgendjemanden?!

--- Ende Zitat ---

Mich jedenfalls nicht. Nicht bei einer Kanzlerin, die ungestraft von einer "marktkonformen Demokratie" spricht, und die bereits im Jahre 2005 diesen Satz in einer Rede loslies:

"Politik ohne Angst, Politik mit Mut - das ist heute erneut gefragt. Denn wir haben wahrlich keinen Rechtsanspruch auf Demokratie und soziale Marktwirtschaft auf alle Ewigkeit. Unsere Werte müssen sich im Zeitalter von Globalisierung und Wissensgesellschaft behaupten. Und wenn sie sich behaupten sollen, dann müssen wir bereit sein, die Weichen richtig zu stellen. Auch da sind wieder Widerstände zu überwinden." (Quelle mit Link zum Redeskript)

Dass die Dame bereit und schon dabei ist, "Widerstände zu überwinden" (der Bürger, des Parlaments, des Grundgesetzes), ist nicht zu übersehen. Hoffentlich hat sie inzwischen mal das Grundgesetz gelesen (Ewigkeitsklausel) - aber auch das wird sie garantiert nicht von ihrem eingeschlagenen Kurs abbringen. Unfassbar (aber angesichts der Meinungsmanipulation in den Medien erklärbar), dass die Masse der Deutschen diese Frau förmlich anzubeten scheint. >:(



--- Zitat von: NoName am 07 Mai 2012, 22:48:31 ---Da ich die Entwicklung aber für unumkehrbar halte, versuche ich möglichst nicht an all diese Dinge zu denken, obwohl es sehr schwer ist dem zu entkommen.

--- Ende Zitat ---

Ich befürchte auch, dass Merkels "Weichen" bereits unwiderruflich gestellt sind. Ich hoffe nur, dass dieser unsägliche "Fiskalpakt" noch zu verhindern ist, der erstens (grob formuliert) die Staaten dazu zwingen soll, zunächst alles Geld in die Schuldentilgung zu stecken und erst in zweiter Linie für das eigene Volk zu verwenden, und der zweitens auf ewig unkündbar sein soll.

Übrigens kann ich verstehen, wenn jemand die Augen davor verschließen will - schließlich klingt das alles auch für mich selbst wie eine wahr gewordene Dystopie...

Glücklicherweise gibt es in den Medien auch immer wieder lichte Momente^^ - so wie hier in der Süddeutschen:
"Kapitalismus braucht keine Demokratie"

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