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Autor Thema: Was gesagt werden muss  (Gelesen 12057 mal)

Multivac

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Was gesagt werden muss
« am: 05 April 2012, 14:09:32 »

Hier ein Auszug aus dem heiß diskutierten Gedicht:


Was gesagt werden muss
Von Günter Grass

"Warum schweige ich, verschweige zu lange,
was offensichtlich ist und in Planspielen
geübt wurde, an deren Ende als Überlebende
wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag,
der das von einem Maulhelden unterjochte und
zum organisierten Jubel gelenkte
iranische Volk auslöschen könnte,
weil in dessen Machtbereich der Bau
einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir,
jenes andere Land beim Namen zu nennen,
in dem seit Jahren - wenn auch geheimgehalten -
ein wachsend nukleares Potential verfügbar
aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung
zugänglich ist?

Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes,
dem sich mein Schweigen untergeordnet hat,
empfinde ich als belastende Lüge
und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt,
sobald er mißachtet wird;
das Verdikt "Antisemitismus" ist geläufig.

..."


ganzes Gedicht hier: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,825744,00.html


Was meint Ihr dazu ?
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messie

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #1 am: 05 April 2012, 14:24:21 »

Hihi, ich wollt's nicht machen ...  ;D

Erstmal: Warum zitierst nur die erste Hälfte des Gedichts direkt? Scheint dir der Rest nicht diskussionswürdig zu sein? Die für mich entscheidenden Passagen stehen nämlich eher im zweiten Teil. ;)

Es stellt sich mir dar, dass Grass zutiefst darüber erschrocken ist, dass Deutschland (zu seinen Jugendzeiten schließlich DER Kriegsaggressor schlechthin) der Atommacht Israel U-Boote liefert, die dieses mit Atomwaffen bestücken kann angesichts der Tatsache, dass Israel einen militärischen Angriff gegenüber dem Iran nicht mehr ausschließt.

Nicht obwohl, sondern gerade weil er mittendrin war, in der SS "gedient" hat, weiß er um die Schrecken des Krieges.

Dass er sich damit auch sicher nicht ungerne wieder ins Gespräch gebracht hat, entwertet nur unvollständig seine Zeilen. Sie sind jedenfalls hervorragend geeignet, um anderen klar zu machen, dass Israel da gerade selbst etwas vorbereitet, das im Friedenssinne keinesfalls gutgehießen werden kann. Denn griffe Israel den Iran tatsächlich an, dann ginge das die gesamte Welt an. Auch und gerade deswegen weil Israel eine Atommacht ist und keineswegs sicher ist, ob sie ihre Atomwaffen im Ernstfall nicht doch einsetzen.

Für mich jedenfalls ist es eine Veröffentlichung aus einer Angst vor einem (Atom-)krieg, weniger eins zur Selbstdarstellung oder gar aus einem Antisemitismus heraus.
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sYntiq

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #2 am: 05 April 2012, 15:16:54 »

Ich find diese ganze Diskussion in den Medien ziemlich lächerlich.

"Günter Grass behauptet dass jeder der in Deutschland etwas gegen Israel sagt, sofort als Antisemit bezeichnet wird. Das stimmt doch gar nicht.  Aber Günter Grass IST Antisemit! Schliesslich hat er etwas gegen Israel gesagt!"

Ich habe das Gefühl dass eigentlich niemand wirklich drüber nachdenkt was er da gesagt hat und warum er das gesagt hat. Statt sich mit der Materie zu beschäftigen, wird einfach die Antisemitismuskeule geschwungen und gut ist. Ist ja auch viel einfacher, muss man sich nciht mit evtl. unbequemen Dingen beschäftigen!
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Multivac

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #3 am: 05 April 2012, 15:18:34 »

Warum zitierst nur die erste Hälfte des Gedichts direkt? Scheint dir der Rest nicht diskussionswürdig zu sein? Die für mich entscheidenden Passagen stehen nämlich eher im zweiten Teil. ;)
weil ich dachte, ich verletze dann urheberrechte und werde hier aufgefordert, es wieder zu löschen. daher auch der link drunter mit dem ganzen gedicht.


Für mich jedenfalls ist es eine Veröffentlichung aus einer Angst vor einem (Atom-)krieg, weniger eins zur Selbstdarstellung oder gar aus einem Antisemitismus heraus.

denke ich auch, aber die reaktionen sind im allgemeinen so:


CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärte: „Ich bin über die Tonlage und die Ausrichtung dieses Gedichtes entsetzt.“

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles: „Ich schätze Günter Grass sehr, aber das Gedicht empfinde ich vor dem Hintergrund der politischen Lage im Nahen Osten als irritierend und unangemessen.“

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warnte: „Ein deutscher Nobelpreisträger wie Günter Grass sollte aufpassen, dass er hier nicht zündelt und die falschen Signale aussendet.“

Publizist Michel Friedman (CDU): „Es wäre besser gewesen, Grass hätte weiter geschwiegen. Grass spielt mit antisemitischen Klischees.“

FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher urteilt: „Es ist ein Machwerk des Ressentiments, es ist, wie Nietzsche über das Ressentiment sagte, ein Dokument der ‚imaginären Rache‘ einer sich moralisch lebenslang gekränkt fühlenden Generation.“

FDP-Generalsekretär Patrick Döring (38) warnt: „Aus Grass' Gedicht spricht nicht die Weisheit des Alters, sondern man hört uralte Vorurteile. Hinter Grass' Gedanken können sich künftig noch ganz andere Gestalten verstecken."

Dieter Graumann, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, nannte das Gedicht ein „Hasspamphlet“.

Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee (AJC): „Wieso fühlt er sich berufen, Israel zu denunzieren, statt sich zu den autoritären Regimen im Nahen Osten, die bislang einen regionalen Frieden unmöglich gemacht haben, zu äußern“


(aus BILD)

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messie

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #4 am: 05 April 2012, 15:29:28 »

Ja, die Reaktionen sind genau das, was Grass anprangert. In seinem vorletzten Absatz dieses "Pamphlets" (*gröööhl*) ist auch zu lesen:

Zitat von: Günther Grass
(...) zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.

Weder hat er hier genannt dass Israel der Verursacher der Gewalt ist, noch hat er den Iran dabei vergessen. Just dieser Absatz legt doch eindeutig fest, worum es hier geht, um den Frieden! Seine Zeilen sind nichts anderes als eine Aufforderung an Deutschland und die Welt, das Wettrüsten dort unten aufzuhalten und die damit einhergehende Eskalation.

Denn auch wenn viele den iranischen Präsidenten für einen Typen halten der nur Säbel rasselt hinter denen nichts dahinter ist, so ist ein Ankauf von atombestückbaren U-Booten von Israel aus Sicht des Irans als eindeutige kriegerische Kampfansage zu verstehen. Man kann dies nicht anders verstehen, selbst wenn es tatsächlich Leute gibt die behaupten, dass diese ja "nur" aus Verteidigungszwecken besorgt werden würden.

Ich finde es fast noch ein bisschen schade, dass Grass nicht weiter ging. Denn man kann hier wunderbar auch ans Wettrüsten aus den 80ern erinnern, an Kuba 1962 und Weiteres, wie dicht man einem Weltkrieg kommt, wenn man Waffen in kritischen Gebieten zusammenzieht.

Wenn weltweit Pazifisten geehrt werden, die auf Missstände und logische Brüche die gen Krieg zeigen hinweisen, dann werden Heldenreden (auch von Angela Merkel) über sie geführt.
Wenn das in Deutschland aber mal einer macht, einen pazifistischen Text verfasst, einer der es auch noch wissen muss weil er mittendrin im Krieg gewesen ist als junger Mann, dann wird sofort Schmutz geworfen, weil er ja Kritik am heiiiligen Israel verübt hat.

Wie ich diese Doppelmoral zum Kotzen finde.  >:(
« Letzte Änderung: 05 April 2012, 15:30:59 von messie »
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #5 am: 05 April 2012, 15:34:03 »

nun, es reicht hier schon, daß wort "jude" zu sagen, und schon zucken alle, unabhängig vom kontext, zusammen.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #6 am: 05 April 2012, 15:35:03 »

Ach du liebes Bisschen.
Die zitierten Reaktionen klingen alle wie monosynaptische Reflexe. SYntiq hat das schon ganz gut beschrieben.
Da kann ich nur mit den Augen rollen und mit dem Kopf wackeln, bis es wehtut.

edit: Man muss offensichtlich nichtmal das J-Wort benutzen. "Israel" reicht auch. Dazu noch etwas, das nach Kritik klingt, zack, zuckt das Knie.
« Letzte Änderung: 05 April 2012, 15:36:44 von nightnurse »
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #7 am: 05 April 2012, 21:02:49 »

Politiker und Journalisten regen sich über den Text auf, weil der Autor offensichtlich Israel als den Aggressor und die Gefahr für den Frieden ansieht. Diese nicht nachvollziehbare Verdrehung der Tatsachen erzeugt anscheinend viel Widerstand und führt zur Verwendung der Antisemitismuskeule in den Medien.
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messie

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #8 am: 05 April 2012, 21:17:32 »

Politiker und Journalisten regen sich über den Text auf, weil der Autor offensichtlich Israel als den Aggressor und die Gefahr für den Frieden ansieht. Diese nicht nachvollziehbare Verdrehung der Tatsachen erzeugt anscheinend viel Widerstand und führt zur Verwendung der Antisemitismuskeule in den Medien.

So habe ich seinen Text nicht verstanden: Ich verstehe ihn eher so, dass man beim Iran genau hinguckt aber komplett vergessen hat, dass Israel nicht minder aggressiv zu Werke geht. Ich meine, ein Land das Atom-U-Boote bestellt und beinahe im selben Atemzug kriegerische Handlungen gegen den Iran nicht mehr ausschließt, halloo? Wer da nicht hellhörig wird ...
Das Wort "Erstschlag" ist natürlich ein Reizwort, aber was soll es denn sonst für eines dafür geben? Was haben U-Boote denn da sonst zu suchen? Als Verteidigung gegen den Iran, der nun einmal auf der anderen Seite sitzt, wirkt das nun wirklich widersinnig.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #9 am: 05 April 2012, 21:31:29 »

Ein greiser Schriftsteller verfasst einen Text. Die üblichen Schwerenöter, Trittbrettfahrer und Verfechter der Political Correctness fühlen sich berufen Ihren Senf dazugeben zu müssen und dramatisieren diese simple freie Meinungsäusserung ins Unermessliche.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #10 am: 05 April 2012, 21:55:55 »

Der Iran droht seit Jahren mit der vollständigen Vernichtung Israels. Israel hingegen betont immer wieder, dass man sich bei einem Angriff zur Wehr setzen wird. Notfalls mit einem konventionellen Präventivschlag. Da kann ich einen sehr deutlichen Unterschied in der Qualität der Aggression erkennen.
Ob Israel nur landgestützte oder auch seegestützte Atomwaffen zur Abschreckung einsetzt, ist doch völlig egal. Im Gegensatz zum Iran glaubt niemand, dass Israel Atomwaffen offensiv einsetzen würde. Es ist auch gar nicht klar, ob die U-Boote für den Einsatz als Träger von Marschflugkörpern mit Nuklearsprengköpfen umgerüstet wurden oder wie ursprünglich konzipiert verwendet werden. Die Bestückung mit Nuklearwaffen wäre eine Zweckentfremdung und wahrscheinlich wenig effektiv (da nur relativ kleine Marschflugkörper). Das kann man mit einer Fregatte viel leichter realisieren. Bei den U-Booten handelt es sich nicht um Atom-U-Boote die Interkontinentalraketen verschießen können (wie im kalten Krieg), sondern lediglich um kleine Jagd-U-Boote zur Bekämpfung von Schiffen.

Nunja, dass der Grass zu dement, narzistisch oder ideologisch verblendet ist, diese Zusammenhänge zu verstehen oder zu akzeptieren, muß nicht unbedingt mit soviel Aufmerksamkeit und der Antisemitismuskeule beantwortet werden. Eine sachliche Auseinandersetzung hätte es auch getan.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #11 am: 05 April 2012, 22:01:39 »

Bei den U-Booten handelt es sich nicht um Atom-U-Boote die Interkontinentalraketen verschießen können (wie im kalten Krieg), sondern lediglich um kleine Jagd-U-Boote zur Bekämpfung von Schiffen.

Welche Schiffe?? Der Iran und Israel liegen nicht einmal an demselben Meer! Es ist völlig widersinnig anzunehmen, dass der Iran Schiffe gegen Israel einsetzt, er müsste diese schließlich um ganz Saudi-Arabien herumsegeln lassen bis die Schiffe in konventioneller Reichweite wären. Und das unbemerkt, wohlgemerkt.
Also, merkwürdig, das musst du zugeben, ist das schon.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #12 am: 05 April 2012, 22:04:40 »

Wie kommst du darauf, dass die U-Boote nur wegen dem Iran beschafft wurden? Derartige Rüstungsprojekte werden gewöhnlich mindestens 10 Jahre vor Auslieferung in Auftrag gegeben.
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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #13 am: 05 April 2012, 23:18:32 »

Wie kommst du darauf, dass die U-Boote nur wegen dem Iran beschafft wurden? Derartige Rüstungsprojekte werden gewöhnlich mindestens 10 Jahre vor Auslieferung in Auftrag gegeben.

Offen gesagt fehlt mir die Fantasie, weswegen Israel überhaupt zu Verteidigungs (!) zwecken U-Boote benötigt. Meines Wissens ist der Iran der einzige Staat, der gegen Israel direkt opponiert, und gegen den sind, wie gesagt, U-Boote zu Verteidigungszwecken ziemlicher Unsinn.
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colourize

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Re: Was gesagt werden muss
« Antwort #14 am: 06 April 2012, 00:20:16 »

Ist es in irgendeiner Weise wichtig, sich damit zu befassen was Günter Grass über Israel denkt? Wieso ist so was ein Top-Thema in den Nachrichtensendungen?

Die ganze Aufregung darum verstehe ich zudem nicht. Es ist ja nun nicht so, dass sonst noch niemand vorher auf die Idee gekommen wäre, dass es vielleicht für die ohnehin labile geopolitische Lage im "Nahen Osten" nicht so prall ist, dass sich die Israelis gerade zum Präventivkrieg bereitmachen. Und ja, das merken die politisch interessierten Menschen auch ohne dass Grass erst laut rumtrommelt und irgendwelchen Blech redet - und dieses als Gedicht deklarierte Pamphlet dann an diverse Zeitungsredaktionen verschickt.
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