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Autor Thema: Film: "The Tree Of Life"  (Gelesen 2572 mal)

Kenaz

  • Gast
Film: "The Tree Of Life"
« am: 03 Dezember 2011, 09:18:00 »

Ich habe gestern "The Tree Of Life" von Terrence Malick gesehen und nach anfänglicher Unentschlossenheit sowie einer Nacht Schlaf muss ich mittlerweile feststellen, dass mich dieses Opus doch ziemlich beeindruckt hat.

Der Rahmenplot, so will ich das mal nennen, dreht sich um die amerikanische Mittelstandsfamilie O'Brien, bestehend aus Vater (Brad Pitt), einem erfolgreichen Ingenieur, Mutter (Jessica Chastain) und drei Söhnen, und setzt irgendwann Ende der 70er Jahre ein. Wir werden Zeuge, wie die Eltern vom Tod des 19-jährigen Sohnes erfahren, und dadurch in eine tiefe Krise gestürzt werden. Da es sich bei den O'Briens um eine überaus religiöse, um nicht zu sagen: fromme Familie handelt, wächst sich diese Krise zu einem radikalen Gotteszweifel nachgerade Hiob'scher Dimension aus. Die ewige Frage "WARUM?" steht wie ein Monolith im Raum und sperrt sich störrisch gegen jede Antwort.

Nicht von ungefähr ist dem Filmgeschehen also ein Zitat aus Hiob vorangestellt: "Wo warst du, als ich die Erde gründete? ... Als mich die Morgensterne miteinander lobten und jauchzten alle Gottessöhne?" (Hiob 38, 4.7). Im Zuge all der existenziellen Fragen, die in der Folge immer wieder durch "Stimmen aus dem Off", die den verschiedenen Familienmitgliedern zugehören, formuliert werden, kommt es zu einem Zeitsprung, der in seiner Radikalität wohl nur mit dem berühmten Sprung in Kubrick's "2001" verglichen werden kann, sich allerdings in entgegengesetzter Richtung vollzieht: Wo Kubrick aus der Steinzeit ins Weltraumzeitalter springt, springt Malick aus den 70er Jahren - ja wohin: man kann wohl ohne Übertreibung sagen: zum Urknall - oder ein paar Sekunden später ...

Und von diesem Ausgangspunkt her entfaltet sich sodann ein Bildersturm Kubrick'schen Ausmaßes, bei dem alle Register moderner Animations- und Tricktechnik gezogen werden - nicht umsonst und in puncto visueller Wucht völlig zu recht wurde "The Tree Of Life" in den Kritiken gerne mit Kubricks "2001 - A Space Odyssey" verglichen. In atemberaubenden Bildern wird also die Genese des Universums erzählt, unterlegt mit klassischer Musik, u.a. von Berliosz und Ligeti, wobei makrokosmische Vorgänge immer wieder mikrokosmischen gegenübergestellt werden; auf diese Weise wird die Vision des Harmonisch-Planhaften erzeugt, die - analog zu Hiob - in ihrer Unfassbarkeit das menschliche Ringen und Suchen nach Antworten befriedigen, oder vielleicht sollte man besser sagen: befrieden soll. Ich möchte in diesem Zusammenhang allerdings nicht verschweigen, dass Handlung und Bilder im Rahmen des besagten, kosmogenetischen Parforceritts hin und wieder doch ein wenig in den Bereich von Schwulst & Kitsch diffundieren, insgesamt betrachtet hält sich das für mein Empfinden jedoch noch im akzeptablen Rahmen.

Nach dieser "Rückblende", die gefühlte 60 Minuten dauert, pendelt sich die Handlung in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ein und geht nun auf die konkrete Geschichte der O'Briens bis zum tragischen Unglück ein; durchbrochen wird die Handlung immer wieder von traumartigen Sequenzen, die insbesondere im letzten Drittel des Films, immer stärker auf die Perspektive des, zwischenzeitlich erwachsenen, ältesten Sohnes (Sean Penn) einschwenken, der seinerseits den Tod des Bruders bis in die Gegenwart hinein (hier befinden wir uns irgendwo in den 00er Jahren des neuen Jahrtausends) nicht wirklich verarbeiten konnte. Ich möchte aus Gründen der Spoiler-Vermeidung nicht auf nähere Details eingehen, nur so viel: Letztlich ist "The Tree Of Life" ein Film über das, was man gemeinhin als "Trauerarbeit" bezeichnet: Das Ringen des Menschen um Antworten angesichts seiner Endlich- und Vergänglichkeit, die ihm im Verlust eines geliebten Menschen in fast unerträglicher Radikalität bewusst gemacht werden.

Fazit: Wunderschöner, tiefgründiger und auf höchst subtile Weise überaus trostreicher Film, den man sich gut im Bundle mit einem entsprechenden Gegenstück - z. B. "BEGOTTEN"  ;D - anschauen kann. Der eine oder andere mag ihn durchaus nützlich gegen Herbst- und Winterdepressionen finden, auch wenn sich das, was ich hier geschrieben habe, vielleicht gar nicht so anhört.  ;)

Ach ja; den Trailer gibt's HIER.

P.S.: Der folgende Kommentar, den ich eben bei youtube las, deckt sich übrigens 1:1 mit meinem eigenen Eindruck: "When you watch this movie, you are like "What the hell?", when you finish the movie, you are "What, why and how the hell?" and finally, when you're home laying in your bed by yourself, you start to feel "Woaah.."
« Letzte Änderung: 03 Dezember 2011, 09:40:05 von Kenaz »
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CubistVowel

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Re: Film: "The Tree Of Life"
« Antwort #1 am: 03 Dezember 2011, 11:22:59 »

Der Trailer zumindest ist wunderschön... :)
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messie

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Re: Film: "The Tree Of Life"
« Antwort #2 am: 03 Dezember 2011, 11:38:38 »

Klingt so, als wäre der Film das geworden, was "The Fountain" sein wollte.
Wobei jener Film auch schon nicht sooo schlecht war - nur ein wenig wirr halt.
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Kenaz

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Re: Film: "The Tree Of Life"
« Antwort #3 am: 04 Dezember 2011, 13:30:29 »

Klingt so, als wäre der Film das geworden, was "The Fountain" sein wollte.
Wobei jener Film auch schon nicht sooo schlecht war - nur ein wenig wirr halt.

- So toll ich ihn insgesamt doch fand und so sehr ich Darren Aronofsky als Regisseur verehre, aber bei "The Fountain" muss man wirklich feststellen, dass die Grenze zum Eso-Kitsch ein paarmal deutlich überschritten wurde: Ich erinnere nur an die Einstellung, in der der Protagonist im Lotossitz durchs Universum segelt. - Nein, bei aller Liebe, aber das ist schwer zu ertragen. Ich schäme mich immer ein bisschen vor mir selbst, wenn ich das sehe ...  ???
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messie

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Re: Film: "The Tree Of Life"
« Antwort #4 am: 04 Dezember 2011, 16:27:11 »

Klingt so, als wäre der Film das geworden, was "The Fountain" sein wollte.
Wobei jener Film auch schon nicht sooo schlecht war - nur ein wenig wirr halt.

- So toll ich ihn insgesamt doch fand und so sehr ich Darren Aronofsky als Regisseur verehre, aber bei "The Fountain" muss man wirklich feststellen, dass die Grenze zum Eso-Kitsch ein paarmal deutlich überschritten wurde: Ich erinnere nur an die Einstellung, in der der Protagonist im Lotossitz durchs Universum segelt. - Nein, bei aller Liebe, aber das ist schwer zu ertragen. Ich schäme mich immer ein bisschen vor mir selbst, wenn ich das sehe ...  ???

Gib's zu, du schämst dich dafür, dass du den Film dann sicher doch mehr als einmal gesehen hast. ;)
Ich habe es bislang dreimal getan und finde ihn lange nicht mehr so schlecht wie nach dem ersten Mal ansehen. Sogwirkung hat "The Fountain" definitiv auch.

Vielen Dank aber für deinen Filmtipp, ich werde mir den Film sicher demnächst mal ansehen. Alleine die Verwirrung der Kritiker spricht dafür, dass es ein grandioser Film ist. :)
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