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Fragen zur Piraten Partei

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Kallisti:
Da ich keinen vergleichbaren thread gefunden habe, starte ich diesen neu.

Mich interessiert, wie Nicht-Mitglieder und Mitglieder der Partei über diese bzw. die unten aufgeführten Fragen denken, wie sie zur Piraten Partei eingestellt sind ...


Vorweg: Wie schon an anderer Stelle erwähnt, bin ich politisch nicht versiert, schon gar nicht, was die Piraten Partei betrifft.

Ich höre natürlich immer mal was - lässt sich ja kaum vermeiden  ::) - aber habe mich eigentlich mit dieser Partei bisher nicht wirklich befasst.

Möchte aber dennoch hier einfach mal ein paar Fragen stellen:


- Welchen Einfluss hat der Name "Piraten" (Partei) eurer Meinung nach - für das Wirken in der bzw. auf die Menschen, die "potentiellen" Wähler? Was transportiert oder suggeriert er eurer Meinung nach bzw. was soll er (ggf.) suggerieren?
Und: wie kam der Name zustande (innerhalb der Partei)?

- Wollen die Piraten auch (irgendwann mal? wann?) (mit-) regieren? Falls ja, wann (in etwa) sollten oder könn(t)en sie dazu in der Lage sein - wovon hängt das ab, woran macht ihr das fest?

- Oder ist es doch eher eine Protest-Partei? Falls nein, was unterscheidet sie davon (welche "Merkmale")?

- Welche Erwartungen habt ihr persönlich der Piraten Partei gegenüber, welche Wünsche?

- Falls ihr sie gewählt habt - warum wähltet ihr sie bzw. mit welchen Themen, Forderungen ... der Partei sympathisiert ihr am meisten und warum?

- Gibt es mehr als in anderen Parteien eine Minderheit an weiblichen Mitgliedern in der Piraten Partei?
Falls ja, woran liegt das bzw. was könnte(n) die Ursache(n) dafür sein?

- Wo ist die Idee der Piraten Partei entstanden - in welchem europäischen Land und wann? Welche anderen ähnlichen Bewegungen in Europa gibt es (seit wann) und wie hängen sie - wenn - mit der deutschen Piraten Partei zusammen?

- Ist die Piraten Partei eine "Partei im eigentlichen Sinne" bzw. will sie eine solche sein und als solche verstanden werden oder eher wie etwa NRO´s - wie eine "Gruppe von Aktivisten", die länder-/staatenübergreifend zusammenarbeiten (können oder wollen?)? Gibt es nicht Ähnlichkeiten, Gemeinsamkeiten zwischen der Piraten Partei und NRO´s (wie bspw. Attac)?

- Hat die Piraten Partei ein Problem mit braunem Mob? - Es gibt offensichtlich einige Partei-Mitglieder mit "rechter Vergangenheit" - mehrere waren bspw. Mitglied der NPD.
Wie gehen die Piraten damit um und was lässt sich daraus ggf. folgern, wie die Piraten aktuell eben damit "umgehen" bzw. nicht umgehen ... ?

Siehe Report

http://www.br-online.de/das-erste/report-muenchen/

(Ich nehme an, der Bericht ist in Kürze via Mediathek zu sehen.)


Das sind so die Fragen, die mir seit einiger Zeit durch den Kopf gehen - gab ja auch im Radio immer mal Berichte über die Piraten.


Ich hab natürlich doch wieder was vergessen:

- Wo würdet ihr die Piraten verorten - links, rechts, Mitte - Mitte rechts oder Mitte links - oder was sind eure "Eindrücke" die "Richtung" bzw. "politische Farbe/Färbung" betreffend?

- Und warum wollen die Piraten keine "Drei-Buchstaben-Partei" sein bzw. was unterscheidet sie hauptsächlich und deutlich/auffallend (inhaltlich, nicht namentlich) davon - von den anderen (etablierten, aber auch sonstigen "nicht-etablierten", kleineren) Parteien?






messie:
Ich kann mir nicht helfen, die Fragen klingen irgendwie tendenziös ... aber egal, bei einigen Fragen/Themen bin ich selbst gespannt, wo sich die Piraten hinentwickeln.

- Stichwort NPD-Mitglieder: Die Kernfrage wird hier sein, ob da Mitglieder ihre alte Gesinnung versuchen in die "neue" Partei mit hineinzutragen, oder ob wirklich ein Umdenken ihrerseits stattgefunden hat. Dass jene unbequeme Fragen gestellt bekommen werden, auch seitens der Piraten selbst, ist völlig logisch.
Dass die Piraten selbst da noch keine eindeutigen Statements abgeben, halte ich wiederum für völlig normal. Wenn man Meinungsfreiheit und Transparenz ernst nehmen will, muss man von Einzelfall zu Einzelfall sehen, anstatt alles über einen Kamm zu scheren, um dann doch eine klare Position zu finden, was "Jugendsünde" und was nicht tragbar ist.
Jedenfalls wären sie schlau, täten sie es: Damit wären sie immerhin der PDS (die die Stasi-Vergangenheit diverser Mitglieder einfach totschwieg), den Linken (die dasselbe tat), der CSU (mit hochrangigen ehemaligen NdSAP-Mitgliedern) und der CDU (dito) um einiges voraus.

Die Frauen"quote" betreffend ist logisch, dass da die Männer in der starken Mehrheit sind, schließlich hat die Partei ihre Wurzeln in ursprünglich reiner Opposition in Sachen Internet und ihr Fachwissen fast ausschließlich bezüglich Computern.
Wer sich die Frauenquote unter Programmierern ansieht wird wissen, dass Frauen beim Kernthema nun einmal unterrepräsentiert sind und schon immer waren. Ist historisch gewachsen und ungefähr genauso normal wie z.B. die Tatsache, dass im Friseurberuf ebenfalls fast ausschließlich Frauen arbeiten.

Stichwort mitregieren: Eine Partei die sehr jung ist und überhaupt zum ersten Mal in Parlamente einzieht wäre größenwahnsinnig, gleich mitregieren zu wollen. Regieren bedeutet zu allem, worüber man zu entscheiden hat, bereits Kompetenz aufgebaut zu haben. Eine kleine Partei kann diese noch gar nicht haben, da niemand in allem bescheid wissen kann. Da müssen erst Spezialisten für aufgebaut werden. Das dauert seine Zeit.
Mitunter hat man ja den Eindruck, dass den "Großen" bei so einigen Themen die Spezialisten immer noch fehlen  8)

Worin für mich persönlich die Piraten von anderen Parteien unterscheidet ist, im Moment jedenfalls, deren Ehrlichkeit: Wenn sie zu einem Thema nichts sagen können geben sie es auch zu und tun nicht so, als würden sie ja doch Ahnung haben.
Ebenso prangern sie Dinge an, die die anderen Parteien "vergaßen" zu beachten: Die mangelnde Transparenz der Medien und politischen Prozesse, die Reformierung des Datenschutzes sind alles Themen, die zuvor keine andere Partei so konsequent eingefordert haben.

Für mich sind die Piraten deswegen keine "kann-alles-Partei", ich persönlich nehme sie aber als eine Partei wahr, die den Grünen in den 80ern sehr gleicht: Ein sehr heterogener Haufen der noch nicht so recht weiß wo er eigentlich hin will, aber einer der in seinen Kernthemen absolut richtig liegt und die etablierten Parteien alleine durch die eigene Existenz zwingt, diese ebenfalls aufzugreifen und sich ihnen zu stellen.

Ein schönes Beispiel ist die kürzliche Enthüllung der Verfassungsfeindlichkeit des Bundestrojaners durch den CCC: Die FDP würde sich momentan ja wohl kaum über diesen Umstand so empören, wüsste sie nicht dass ihnen die Piraten als Partei, die sie im Parlament "beerben" könnte, direkt im Nacken säßen. Sie versuchen so, den Piraten das Wasser abzugraben.

Ob ich sie bei den nächsten Bundestagswahlen wählen würde, weiß ich im Übrigen nicht. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Bach herunter, gerade bei so einer jungen Partei. Das Profil muss sich auf jeden Fall noch weiter schärfen, Antworten auch zu großen Themen des Landes müssen gefunden werden.
Sie als reine Protestpartei zu sehen wäre aber in meinen Augen bereits jetzt verfehlt. Sie haben für mich deutlich mehr mit den Grünen in ihren Gründertagen gemein als z.B. mit der Stattpartei, der Schill-Partei (ja, ich weiß die hieß anders, aber den echten Namen konnte sich doch keine Sau merken ...) oder der Nichtwählerpartei (ja, die gab's wirklich mal).

Kallisti:

--- Zitat ---Ich kann mir nicht helfen, die Fragen klingen irgendwie tendenziös ...
--- Ende Zitat ---
(messie)

Was meinst du mit "tendenziös", was willst du damit sagen?



--- Zitat ---Die Frauen"quote" betreffend ist logisch, dass da die Männer in der starken Mehrheit sind, schließlich hat die Partei ihre Wurzeln in ursprünglich reiner Opposition in Sachen Internet und ihr Fachwissen fast ausschließlich bezüglich Computern.
Wer sich die Frauenquote unter Programmierern ansieht wird wissen, dass Frauen beim Kernthema nun einmal unterrepräsentiert sind und schon immer waren. Ist historisch gewachsen und ungefähr genauso normal wie z.B. die Tatsache, dass im Friseurberuf ebenfalls fast ausschließlich Frauen arbeiten.
--- Ende Zitat ---
(messie)

Was heißt, die Partei hat ihre Wurzeln ursprünglich in "reiner Opposition in Sachen Internet und ihr Fachwissen fast ausschließlich bezüglich Computern"?
Heißt es, dass Frauen weniger im Internet aktiv sind/sich weniger dort bewegen, informieren ... ? Oder was meinst du mit "hat Wurzeln in Opposition im Internet"? Welche Opposition und auf welche Weise "im Internet" - und was ist dabei spezifisch männlich?

Auch die andere Hälfte des Satzes verstehe ich nicht: was heißt "hat ihr Fachwissen fast ausschließlich bezgl. Computern? -> Dass die Partei vor allem Computer betreffend Fachwissen hat? Also: fast ausschließlich sogar, wie du es formuliertest? ? ^^
Das wäre dann für eine Partei doch etwas dürftig ...


Der Vergleich mit den Friseurinnen hinkt übrigens, denn es gibt vor allem deshalb wenig männliche Friseuere, wenn bzw. weil die "breite Basis" in diesem Beruf sehr wenig verdient und kaum "Aufstiegschancen" hat - wie das ja für andere "typisch weibliche" (soziale) Berufe auch gilt - überall dort sind mehr Frauen anzutreffen, weil die Männer offensichtlich lieber mehr verdienen wollen (in anderen Berufen).

Bei der Piraten Partei geht es ja nicht um Erwerbseinkommen (wenn man Mitglied ist).

Vielleicht könnte es noch andere Gründe geben?

Wie sieht z.B. die Familienpolitik der Piraten aus und greifen sie auch "Frauenthemen" bzw. "spezifische Frauenprobleme" politisch auf - welche, wenn?

messie:

--- Zitat ---Heißt es, dass Frauen weniger im Internet aktiv sind/sich weniger dort bewegen, informieren ... ? Oder was meinst du mit "hat Wurzeln in Opposition im Internet"? Welche Opposition und auf welche Weise "im Internet" - und was ist dabei spezifisch männlich?
--- Ende Zitat ---

Ursprünglich hatte die Partei den Ruf weg, dass sie nur aus ein paar spleenigen Computernerds bestünde, die für "Freiheit im Internet" kämpft.
Zum Teil stimmte das auch, der Kern bildete sich anfangs, vor allem bei der Piratenpartei Deutschlands, tatsächlich hauptsächlich aus Computerspezialisten.
Mittlerweile ist die Basis da breiter geworden, aber aufgrund dieser Wurzeln ist's nicht verwunderlich, dass die Partei als nahezu reine Männerpartei begann und deswegen auch wenig verwunderlich, dass sie weniger Frauen in ihren Reihen hat als die anderen großen Parteien (ich klammere die NPD mal aus, da ist sowas wie ne "Frauenquote" ja erst recht nicht vorhanden ;) ).
Ich denke aber, das gibt sich. Wie gesagt, sie ist grade fleißig dabei sich breiter aufzustellen. Unter den 500 Neuanmeldungen pro Woche sind auch jede Menge Frauen. Da liegt's in der Natur der Sache, dass viele davon auch nach oben drängen werden.


--- Zitat ---Wie sieht z.B. die Familienpolitik der Piraten aus und greifen sie auch "Frauenthemen" bzw. "spezifische Frauenprobleme" politisch auf - welche, wenn?
--- Ende Zitat ---

Naja, um eine kompetente Familienpolitik machen zu können, brauchen sie natürlich auch Menschen, die sich damit auskennen.
Just das ist, so habe ich die letzten Interviews der Piraten gedeutet, eins der vielen Felder, wo sie noch dabei sind, sich diese Kompetenz aufzubauen.
Ich denke aber, dass das schon werden wird. Sobald eine Partei in einem Parlament sitzt, hat sie ja auch sofort deutlich mehr Mittel und damit mehr Möglichkeiten. Kompetenz aufbauen kostet Zeit, das geht besser als Vollzeitpolitiker.


--- Zitat ---Das wäre dann für eine Partei doch etwas dürftig ...
--- Ende Zitat ---

Nun ja, die Grünen hatten seinerzeit drei Themen, "Umweltschutz", "Anti-Atomkraft" und "Frauenbewegung", wobei Letzteres außerordentlich unspezifisch war. Auch "n bisschen dürftig", oder? ;)

Man kann von kleinen neuen Parteien nicht erwarten, dass sie auf alles sofort eine Antwort haben.
Dass es von ihnen aber viele (angeblich) schon erwarten, adelt sie allerdings: Das zeigt doch, dass viele ihnen gerne zutrauen möchten, später Regierungsarbeit zu leisten.


--- Zitat ---Der Vergleich mit den Friseurinnen hinkt übrigens, denn es gibt vor allem deshalb wenig männliche Friseuere, wenn bzw. weil die "breite Basis" in diesem Beruf sehr wenig verdient und kaum "Aufstiegschancen" hat - wie das ja für andere "typisch weibliche" (soziale) Berufe auch gilt - überall dort sind mehr Frauen anzutreffen, weil die Männer offensichtlich lieber mehr verdienen wollen (in anderen Berufen).
--- Ende Zitat ---

Keineswegs! Friseur wird als "kreativer Beruf" von den Jobagenturen angepriesen, als etwas mit künstlerischem Anteil, wo man seine Kreativität ausleben könne. Das sind typische Stichworte, auf die Frauen gerne reagieren.

Aber gut, besseres Beispiel: Warum ist bei Dolmetschern die Frauenquote so hoch? Es ist ein Job mit ausgezeichneten Aufstiegschancen, er wird excellent vergütet und ist hoch angesehen.
Die Wahrheit ist da ja wohl, dass sich Frauen fast schon traditionell für Sprachen mehr interessieren als Männer. Woher das kommt weiß kein Mensch, aber es zeigt sich an jeder Schule dasselbe: Fast alle Mädchen finden Sprachen ganz toll, die Jungs liebten dafür Mathe/Physik als Leistungsfach.
Ausnahmen bestätigen hier die Regel mal tatsächlich, denn in beiden Branchen (Technik versus Sprache) gibt es auch sehr kompetente Menschen des anderen Geschlechts, aber vom Verhältnis insgesamt bleibt es schon seit Jahrzehnten nahezu gleich.

Die Piratenpartei hat im Übrigen ihre Wurzeln in Schweden. Das kannst du aber wunderbar auf Wikipedia nachschlagen, da brauchst du niemanden hier für fragen. Besser als dort kann es jemand hier auch nicht beschreiben.  8)


CubistVowel:
Zur Frauenquote der Piratenpartei:
http://www.tagesspiegel.de/meinung/die-grenzen-der-genderpolitik-/4657158.html#kommentare :P

Angesichts der Tatsache, dass ich mich von keiner der anderen Parteien (die mir bekannt sind), auch nur halbwegs vertreten fühle, werde ich diese Partei auf jeden Fall im Auge behalten. Es stört mich nicht, dass sie (noch) nicht zu jeder Frage eine passende Antwort auswendig abschwallern oder für jedes Problem einen passenden Experten samt Patentlösungsphrase hervorkramen können.

Dafür sind umgekehrt einige der Themen, die mich vorrangig interessieren, sehr gut von der Piratenpartei abgedeckt (Bürgerrechte, politische Transparenz, Datenschutz u. A.). Eine gute Mischung aus Idealismus und gesundem Menschenverstand kann den anfänglichen Mangel an politischer Erfahrung und sogenannten Experten mehr als aufwiegen. *find*

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