Zitat von: Multivac am 29 Dezember 2011, 14:36:23Allein dieser Gedankengang zeigt, daß es unwahrscheinlich ist, daß genau wir als einzige solch eine Simulation sind. Entweder sind wir keine oder es gibt mehrere davon. Ersteres ist die einfachere Annahme, was einer schönen Lösung dieses Problems entspräche.- Die pure Einfachheit einer Antwort ist freilich noch kein valides Indiz für ihre Wahrheit. Die Schönheit einer Antwort liegt zwar zumeist in ihrer Einfachheit beschlossen, das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass eine einfache=schöne Antwort immer auch =wahr ist. Ich sehe jedenfalls beim besten Willen nicht, inwiefern der fragliche Gedankengang irgendeine verlässliche Hilfestellung beim Entscheid der Frage geben sollte, ob die Welt um uns herum - und "wir selbst" in ihr - "real" ist bzw. sind oder nicht.
Allein dieser Gedankengang zeigt, daß es unwahrscheinlich ist, daß genau wir als einzige solch eine Simulation sind. Entweder sind wir keine oder es gibt mehrere davon. Ersteres ist die einfachere Annahme, was einer schönen Lösung dieses Problems entspräche.
Ganz davon ab müsste man - wenn man sich nicht in verbaler Spiegelfechterei verlieren will - ohnehin mal formulieren, was genau überhaupt unter dieser "Realität" verstanden werden soll, die man gar so messerscharf von der "Simulation" zu trennen können glaubt ...
aber mal so ganz nebenbei: schonmal was von der innenwelttheorie gehört ? das wäre so, als würden wir nicht auf der erde leben, sondern in ihr drin, als wäre die oberfläche nach innen gedreht. und der mittelpunkt der erde ist das weltall bzw. die unendlichkeit. und außenrum ist eine grenze. sämtliche naturgesetze funktionieren dort auch, aber anders als hier. so ist die lichtgeschwindigkeit z.b. nicht konstant. man kann diese theorie zu den verschwörungstheorien zählen: http://www.weltbildfrage.de/braun.htmein physiker hat dazu mal dazu geschrieben, dass sich diese theorie rein wissenschaftlich nicht widerlegen läßt, also dass sie auch mit der mathematisch-formellen niederschrift der naturgesetze konform geht. er hatte jedoch ein schlagkräftiges gegenargument gegen diese theorie: und zwar ist sie komplizierter als die derzeitige. und man solle immer von der einfachsten annahme ausgehen, wenn man eine erklärung für etwas sucht.
Zitat von: RaoulDuke am 27 Dezember 2011, 11:37:33OK, vielleicht klingt es unromantisch (na gut, streich das vielleicht), ich halte Liebe mittlerweile für einen Hormoncocktail. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier noch einmal widerlegt werden würde, aber ekelhafterweise erklärt die Ratio im Rückspiegel mehr, als mir lieb ist.nun, ich würde sie für das produkt einer neuronalen verknüpfung halten, das in der lage ist, diverse in ihm gespeicherte wünsche, sehnsüchte, erinnerungen als antwort auf diverse schlüsselreize abzurufen und (erst) dann einen hormoncocktail, der uns schmetterlinge in den bauch zaubert und uns diesen vorgang überhaupt ins bewußtsein holt, zur produktion anweist.
OK, vielleicht klingt es unromantisch (na gut, streich das vielleicht), ich halte Liebe mittlerweile für einen Hormoncocktail. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier noch einmal widerlegt werden würde, aber ekelhafterweise erklärt die Ratio im Rückspiegel mehr, als mir lieb ist.
wichtiger punkt hierbei: neulich habe ich die interessante idee von neurologen gelesen, dass im gehirn evtl. quantenähnliche zustände herrschen (so ähnlich wie sapphia es neulich beschrieb: “woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich es nicht auspreche“.) dass also gedanken, ideen, vorstellungen parallel in zwischenzuständen gleichzeitig zirkulieren (so wie die rechenvorgänge in einem quantencopmputer) und sich erst manifestieren, wenn es zur dekohärenz kommt, wobei ich hier nicht das aussprechen des gedankens annehme , sondern das sich selbst bewußtmachen seiner eigenen gedanken vorm inneren ohr oder auge... damit stellt sich die frage, ob du das dann immernoch irgendwie formell oder in mathematischen gleichungen meinst festhalten zu können, denn wie kann es bei mehreren unvorhersehbaren ereignissen plötzlich zu einem berechenbaren kommen ? oder meinst du, die summe der zwischenzustände und deren wahrscheinlichkeiten ergibt wie beim radioaktiven zerfall nach einer gewissen halbwertszeit immer ein eindeutiges ergebnis (insofern mehrere teilchen da sind) ? liebe oder nicht liebe ? oder eher grund a für liebe oder grund für liebe (mit liebe als logischem muß ?)
Zitat von: RaoulDuke am 27 Dezember 2011, 11:37:33Oder etwas weniger abstrakt: Wenn das hier alles eine Simulation wäre, eine Art großes Computerspiel, würden wir es merken?- Du wirst niemanden finden, der abschließend beweisen kann, dass es keine ist. Man kann nicht um die eigene Ecke sehen, mit Nietzsche gesprochen.
Oder etwas weniger abstrakt: Wenn das hier alles eine Simulation wäre, eine Art großes Computerspiel, würden wir es merken?
Zitat von: RaoulDuke am 27 Dezember 2011, 11:37:33Wenn nein, kann dann eine Idee realer als die andere sein? Und welche Aussage kann man treffen, wenn man mit der einen Kategorie von Ideen (Mathematik) die andere Kategorie von Ideen (Welt) nahezu vollumfänglich beschreiben kann?- Betonung auf "nahezu".
Wenn nein, kann dann eine Idee realer als die andere sein? Und welche Aussage kann man treffen, wenn man mit der einen Kategorie von Ideen (Mathematik) die andere Kategorie von Ideen (Welt) nahezu vollumfänglich beschreiben kann?
Zitat von: RaoulDuke am 27 Dezember 2011, 11:37:33OK, vielleicht klingt es unromantisch (na gut, streich das vielleicht), ich halte Liebe mittlerweile für einen Hormoncocktail. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier noch einmal widerlegt werden würde, aber ekelhafterweise erklärt die Ratio im Rückspiegel mehr, als mir lieb ist.- Die ratio hat mit dem Phänomen Liebe auch herzlich wenig zu schaffen. Ebensowenig, wie die Mathematik mit den existenziellen Fragen menschlichen Daseins - oder gar denen menschlichen Geworfenseins. Die Mathematik ist untrennbar mit der Welt des Quantitativen bzw. Quantifizierbaren verknüpft, Liebe hingegen spielt sich auf der Ebene des Qualitativen ab. Wenn man im übrigen Deinen obigen Gedanken ernst nähme, wäre Deine "Erklärung" ohnehin nur eine Erscheinung innerhalb der besagten Simulation und als solche keinen Pfifferling wert.
Anders gesagt: Gehe ich von der Annahme aus - und ebensowenig, wie ich ihre Richtigkeit, kann mir ein anderer die Falschheit dieser Annahme beweisen -, die Welt, in der ich mich bewege, inklusive meiner eigenen Person seien nur Bestandteile eines Traums, so wäre jede "Erklärung" dieser Welt oder ihrer Teile dies ebenfalls - und könnte eo ipso gar nichts erklären.Die ganze Geschichte lässt sich im Grunde ohnehin auf die Frage reduzieren, ob Geist bzw. Bewusstsein eine Funktion der Materie - im weitesten Sinne verstanden - oder umgekehrt Materie eine Funktion des Geistes ist. Und da sitzen wir dann vor den metaphysischen Fundamenten menschlichen Denkens und kommen nicht mehr weiter, denn beides ist auf rationalem Wege nicht zu entscheiden. Hier gilt es, eine Position zu beziehen, aus der sich alles weitere dann ergibt - und zwar vollkommen zwanglos: eben genau die Welt, in der Du als menschliches Wesen konkret lebst.
Dass Du Liebe nun als "Hormoncocktail" bezeichnest und die Angelegenheit damit für hinreichend erklärt verkaufen möchtest, spricht, so wenigstens mein Eindruck, für eine relative Verarmung dieser Deiner Welt - oder aber für eine ausgeprägte Angst, Dich einer, wenn nicht der existenziellen Dimension menschlichen Lebens zu stellen.
Ich halte es übrigens für eine ausgesprochen bedauerliche Verirrung des naturwissenschaftlich geprägten Denkens unserer Tage, sich selbst und das eigene Empfinden zwanghaft auf den Status einer banalen, redundanten Marginalie herunterargumentieren zu wollen, die keinerlei Bedeutung mehr zu beanspruchen hat. - Wir sollten eins nicht vergessen: Diese Marginalie hat überhaupt erst begonnen, jene Fragen zu stellen, mit denen man sie jetzt abzuschaffen versucht.
Ich halte es übrigens für eine ausgesprochen bedauerliche Verirrung des naturwissenschaftlich geprägten Denkens unserer Tage, sich selbst und das eigene Empfinden zwanghaft auf den Status einer banalen, redundanten Marginalie herunterargumentieren zu wollen, die keinerlei Bedeutung mehr zu beanspruchen hat. - Wir sollten eins nicht vergessen: Diese Marginalie hat überhaupt erst begonnen, jene Fragen zu stellen, mit denen man sie jetzt abzuschaffen versucht.Keineswegs stellen Erklärungsversuche der Welt mit Hilfe der Ratio eine Marginalisierung unserer Existenz dar. Im Gegenteil!Je mehr Antworten kommen, desto größer werden die Fragen, und auch die Bedeutung der Antworten.
Kann zwar kaum noch die Fensterläden offenhalten und der Geist is auch nich wirklich im arbeitsfähigen Wachzustand (um folgen zu können), aber hier stimme ich mal ganz spontan zu. Ich hab auch iwie falsch gequotet - sorry, aber ich bin grad nicht fähig noch was auf die Reihe zu bringen. Es sei mir nachgesehen - jedenfalls bitte ich schon mal vorsorglich darum. Danke. -- Schlafen wäre eine Option.
Das ist für sich genommen ja auch schon eine Erkenntnis.
Wäre diese Beschreibung bereits vollständig gelungen, wären eine ganze Reihe Mathematiker und Physiker ihres Spielfeldes beraubt. Kein Zweifel: Wir sind noch nicht da, aber sind schon ein gutes Stück auf dem Weg dahin gegangen. Ich finde eher überraschend, wie wenig das "nahezu" noch umfasst. Gut, noch ist es nicht gelungen, Quantentheorie und Graviationstheorie zusammenzubringen und man baut auch noch riesige Teilchenbeschleuniger, um noch ein bischen nachzugucken, aber ich halte es für nciht zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu behaupten, dass wir da noch ankommen (wenn sich die Menschheit bis dahin nicht aufgrund irgendeiner Dummheit ausgerottet hat).
(wenn sich die Menschheit bis dahin nicht aufgrund irgendeiner Dummheit ausgerottet hat)
OK, stimmt - Dein Einwand jedoch auch. Unentschieden, würde ich sagen.
Es ist sehr interessant, aus welchen unterschiedlichen Denkschulen man so kommen kann. eo ipso würde in meinen Argumentationen vermutlich so wenig vorkommen wie bei Dir ceteris paribus. Aber das macht die Sache ja spannend, oder?
Da ich wie von Dir bereits erkannt argumentativ kaum widersprechen kann, mache ich etwas sehr unelegantes: Ich hinterfrage Deine Annahmen.
Die Aussage, der Geist sei entweder eine Funktion der Materie oder umgekehrt enthält als Präsupposition, dass es zwei verschiedene "Dinge" gibt, die mit Materie oder Geist bezeichnet werden können und nun auf eine irgendwie geartete Weise in Relation gesetzt werden können.
Meine Frage dazu: Wenn unsere Existenz und die der wahrgenommenen Welt Folge einer mathematischen Gesetzmäßigkeit ist (ich stelle mir das ja ein bischen wie einen Mandelbrot-Algorithmus vor), dann ist beides Folge einer anderen (dritten) Ursache und es muss nicht mehr das eine auf das andere zurückgeführt werden.
OK, ein billiger Trick, aber ich kann leider nicht Jahrhunderte der Überlegungen von Philosophen aufrollen und mal kurz widerlegen.
Zitat von: Kenaz am 28 Dezember 2011, 20:53:56Dass Du Liebe nun als "Hormoncocktail" bezeichnest und die Angelegenheit damit für hinreichend erklärt verkaufen möchtest, spricht, so wenigstens mein Eindruck, für eine relative Verarmung dieser Deiner Welt - oder aber für eine ausgeprägte Angst, Dich einer, wenn nicht der existenziellen Dimension menschlichen Lebens zu stellen.Ich will mich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber lustigerweise lebe ich mein Leben überhaupt nicht so, als würde ich die Welt für hinreichend erklärt halten und könne mich nun in mein Nerdtum zurückziehen. Und einer Verarmung der Welt entgeht man am besten durch Bereicherung - habe glaube ich noch nie so viele neue Einflüsse, Ideen, Parties und die Gedankenwelt anderer Leute aufgesaugt wie jetzt. Ist das auch eine Angst vor der existenziellen Dimension menschlichen Lebens? Es mag sein, dann trete ich aber die Flucht nach vorn an. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andernmal erzählt werden.
Zitat von: Kenaz am 28 Dezember 2011, 20:53:56Ich halte es übrigens für eine ausgesprochen bedauerliche Verirrung des naturwissenschaftlich geprägten Denkens unserer Tage, sich selbst und das eigene Empfinden zwanghaft auf den Status einer banalen, redundanten Marginalie herunterargumentieren zu wollen, die keinerlei Bedeutung mehr zu beanspruchen hat. - Wir sollten eins nicht vergessen: Diese Marginalie hat überhaupt erst begonnen, jene Fragen zu stellen, mit denen man sie jetzt abzuschaffen versucht.Keineswegs stellen Erklärungsversuche der Welt mit Hilfe der Ratio eine Marginalisierung unserer Existenz dar. Im Gegenteil!
Je mehr Antworten kommen, desto größer werden die Fragen, und auch die Bedeutung der Antworten.
Hier eine kleine Auswahl aus meiner Sicht (beliebig zu ergänzen):- Schön, die Welt ist eine Formel. Aber woher kommt sie? Hat sie vielleicht jemand aufgestellt?- Warum hinterfragt ein Goldfisch nicht sein Aquarium, aber wir die Welt? Dann wäre in der Weltformel auch enthalten, dass es uns geben muss, um sie zu hinterfragen und zu entdecken. Warum nur?- Spielt es überhaupt eine Rolle, ob es auf solche Fragen Antworten gibt?- Warum waren eigentlich Teil 2 und Teil 3 von "Die Matrix" so schlecht?
Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Das ist für sich genommen ja auch schon eine Erkenntnis.- Fein, dass Du das (an)erkennst.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Wäre diese Beschreibung bereits vollständig gelungen, wären eine ganze Reihe Mathematiker und Physiker ihres Spielfeldes beraubt. Kein Zweifel: Wir sind noch nicht da, aber sind schon ein gutes Stück auf dem Weg dahin gegangen. Ich finde eher überraschend, wie wenig das "nahezu" noch umfasst. Gut, noch ist es nicht gelungen, Quantentheorie und Graviationstheorie zusammenzubringen und man baut auch noch riesige Teilchenbeschleuniger, um noch ein bischen nachzugucken, aber ich halte es für nciht zu weit aus dem Fenster gelehnt, zu behaupten, dass wir da noch ankommen (wenn sich die Menschheit bis dahin nicht aufgrund irgendeiner Dummheit ausgerottet hat).- Verstehe ich Dich richtig: Mit "da" meinst Du eine vollständige Beschreibung der Welt mit den Mitteln der Mathematik bzw. der Naturwissenschaft? Gesetzt den Fall, wir verstehen unter "Welt" das gleiche, nämlich die Gesamtheit von "allem, was da ist" (oder, Wittgenstein lässt grüßen: von allem, was der Fall ist) - und zwar wirklich allem -, so halte ich diesen Optimismus - zurückhaltend formuliert - tatsächlich für ein wenig tollkühn, und zwar aus ganz simplen, strukturimmanenten Gründen: Ein Teil einer Totalität (und "Welt" wäre nach diesem Begriffsverständnis eine solche, ja: die Totalität schlechtin), egal wie offen man sie sich auch vorstellen mag) kann keine lückenlose Beschreibung der Totalität liefern, da diese das erklärende, verstehende Teil selbst in all seinen aktuellen Spezifika umfassen müsste. Das erklärende/verstehende Teil muss sich immer vom Ganzen entfernen , um zu verstehen/erklären - insofern es sich aber entfernt, ist das Ganze nicht mehr das Ganze. - Der Schatten lässt sich nicht austricksen, wenn Du verstehst wie ich meine.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45(wenn sich die Menschheit bis dahin nicht aufgrund irgendeiner Dummheit ausgerottet hat)- Ich finde es eigentlich verwunderlich, dass sie das nicht schon längst hinbekommen hat. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass sie daran arbeitet und dieses Ziel über kurz oder lang auch erreicht. Und es ist wohl kaum in Abrede zu stellen, dass auch - auch! - die Naturwissenschaften ein gerüttelt & geschüttelt Maß dazu beigetragen haben werden ... - Gibt das nicht ein wenig zu denken?Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45OK, stimmt - Dein Einwand jedoch auch. Unentschieden, würde ich sagen.- Veranstaltest Du hier 'nen Contest, oder was? Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Es ist sehr interessant, aus welchen unterschiedlichen Denkschulen man so kommen kann. eo ipso würde in meinen Argumentationen vermutlich so wenig vorkommen wie bei Dir ceteris paribus. Aber das macht die Sache ja spannend, oder?- Unbedingt. Diese interessanten Unterschiede führen hin & wieder allerdings auch dazu, dass man komplett aneinander vorbeiredet.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Da ich wie von Dir bereits erkannt argumentativ kaum widersprechen kann, mache ich etwas sehr unelegantes: Ich hinterfrage Deine Annahmen.- Völlig in Ordnung. Ich hab' kein Problem mit hemdsärmeligen Maßnahmen.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Die Aussage, der Geist sei entweder eine Funktion der Materie oder umgekehrt enthält als Präsupposition, dass es zwei verschiedene "Dinge" gibt, die mit Materie oder Geist bezeichnet werden können und nun auf eine irgendwie geartete Weise in Relation gesetzt werden können.- Richtig. Und diese Präsupposition trägt der grundlegenden menschlichen Selbst- und Weltwahrnehmung Rechnung, soweit wir sie durch Zeitalter, Kulturen, Kontinente etc. verfolgen können. Wir finden sie in uns selber vor (wenigstens hab' ich bis heute niemanden getroffen, der den Eindruck erweckte, er fände sie nicht in sich selber vor). Seit der Mensch sich artikulieren kann, empfindet er sein Dasein ganz offenkundig als problematisch, will heißen: als nicht selbstverständlich. Die Motivation, eine Sprache zu entwickeln, ist letztlich einzig dieser Unselbstverständlichkeit geschuldet, denn wozu bräuchte eine Existenzform, die sich völlig selbst genügt, eine Sprache?Nenn' es Geist-Materie-Verhältnis, Subjekt-Objekt-Spaltung oder sonstwie: Am Ende entkommst Du nie einer fundamentalen Dualität - aus der sich dann freilich alles weitere ergibt, wie schon die jüdischen Kabbalisten in ihrer mystischen Zahlentheorie ziemlich pfiffig dargelegt haben. In einer "irgendwie gearteten Relation" stehen diese "zwei verschiedenen "Dinge"" ohnehin - darüber in welcher genau, macht der Mensch sich allerdings seit jeher Gedanken, da er sehr genau spürt, dass die Lösung all seiner Einzelfragen und - letztlich - seines Leidens in dieser letzten Frage beschlossen liegt. Als die individualisierte Existenzform, die er nun mal ist, wird der Mensch sie jedoch niemals auflösen, da eben diese seine Existenz sich erst innerhalb der fraglichen Spaltung entfalten kann. Eine "Antwort" auf die "letzte Frage" käme seiner Selbstaufhebung gleich (entspräche in Cronenbergs "eXistenZ" in etwa dem vermeintlichen "Ende" des "Spiels"). Und an dieser Stelle macht dann das uralte Konzept der "unio mystica" ganz heftig Winke-winke!Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Meine Frage dazu: Wenn unsere Existenz und die der wahrgenommenen Welt Folge einer mathematischen Gesetzmäßigkeit ist (ich stelle mir das ja ein bischen wie einen Mandelbrot-Algorithmus vor), dann ist beides Folge einer anderen (dritten) Ursache und es muss nicht mehr das eine auf das andere zurückgeführt werden.- Das macht im Hinblick auf den Punkt, um den es mir geht, keinen Unterschied, denn im von Dir formulierten Fall bestünde der Antagonismus, über den man meiner Ansicht nach nicht hinauskommt, zwischen "unsere Existenz und die der wahrgenommenen Welt" einerseits und der fraglichen "mathematischen Gesetzmäßigkeit" andererseits. Und dann stellt sich wieder die Frage: Ist dieses Bewusstsein, das sich als "unsere Existenz und die der wahrgenommenen Welt" äußert, eine Funktion der mathematischen Gesetzmäßigkeit oder ist die mathematische Gesetzmäßigkeit eine Funktion dieses Bewusstseins? Und diese Frage ist dann aus den bereits dargelegten, prinzipiellen Gründen wieder nicht beantwortbar - sehr wohl allerdings entscheidbar. - Hier kann der einzelne nur noch eine Position einnehmen, da es keine rational begründete Antwort mehr geben kann.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45OK, ein billiger Trick, aber ich kann leider nicht Jahrhunderte der Überlegungen von Philosophen aufrollen und mal kurz widerlegen.- Tut nicht not, auch billige Tricks können für 'ne Menge Entertainment sorgen. Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Zitat von: Kenaz am 28 Dezember 2011, 20:53:56Dass Du Liebe nun als "Hormoncocktail" bezeichnest und die Angelegenheit damit für hinreichend erklärt verkaufen möchtest, spricht, so wenigstens mein Eindruck, für eine relative Verarmung dieser Deiner Welt - oder aber für eine ausgeprägte Angst, Dich einer, wenn nicht der existenziellen Dimension menschlichen Lebens zu stellen.Ich will mich hier nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber lustigerweise lebe ich mein Leben überhaupt nicht so, als würde ich die Welt für hinreichend erklärt halten und könne mich nun in mein Nerdtum zurückziehen. Und einer Verarmung der Welt entgeht man am besten durch Bereicherung - habe glaube ich noch nie so viele neue Einflüsse, Ideen, Parties und die Gedankenwelt anderer Leute aufgesaugt wie jetzt. Ist das auch eine Angst vor der existenziellen Dimension menschlichen Lebens? Es mag sein, dann trete ich aber die Flucht nach vorn an. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andernmal erzählt werden.- Es steht mir nicht an zu beurteilen, ob Du Dich in dieser Frage zu weit aus dem Fenster lehnst oder nicht. Ich habe mittlerweile aber durchaus den Eindruck, dass Du das nicht tust bzw. ich Dich, als ich eine mögliche Verarmung unterstellte, einigermaßen falsch eingeschätzt habe. Dieser erste Eindruck ist jedoch der gequoteten Formulierung geschuldet. Wenn Du Liebe erst einigermaßen apodiktisch als "Hormoncocktail" erklärst und einen Satz weiter darum bittest, "widerlegt" zu werden, insinuierst Du damit ziemlich nachdrücklich eine subjektiv empfundene Verarmung. - Ich glaub' Dir aber gern, dass Dein faktisches Leben ein durchaus quietschvergnügtes ist, welches durch triste Glaubenssätze wie "Liebe=Hormoncocktail" kaum tangiert wird - was allerdings bedeutete, dass Du sie nicht wirklich glaubst. Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Zitat von: Kenaz am 28 Dezember 2011, 20:53:56Ich halte es übrigens für eine ausgesprochen bedauerliche Verirrung des naturwissenschaftlich geprägten Denkens unserer Tage, sich selbst und das eigene Empfinden zwanghaft auf den Status einer banalen, redundanten Marginalie herunterargumentieren zu wollen, die keinerlei Bedeutung mehr zu beanspruchen hat. - Wir sollten eins nicht vergessen: Diese Marginalie hat überhaupt erst begonnen, jene Fragen zu stellen, mit denen man sie jetzt abzuschaffen versucht.Keineswegs stellen Erklärungsversuche der Welt mit Hilfe der Ratio eine Marginalisierung unserer Existenz dar. Im Gegenteil!- Da herrscht zwischen uns beiden der schönste Konsens, denn das wollte ich mit keiner Silbe behauptet haben. Die Marginalisierung, von der ich sprach, ist eine - leider recht weit verbreitete - Folgeerscheinung dieser Erklärungsversuche, die jedoch keineswegs notwendig ist bzw. im Wesen der rationalen Erklärung beschlossen läge. M.a.W.: Ich halte "Erklärungsversuche der Welt mit Hilfe der Ratio" ohne weiteres auch ohne eine solche Selbstmarginalisierung des Menschen für möglich.Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Je mehr Antworten kommen, desto größer werden die Fragen, und auch die Bedeutung der Antworten.- Mit dem ersten Halbsatz gehe ich konform. Aber was macht Dich glauben, die "Bedeutung der Antworten" würde mit der "Größe der Fragen" anwachsen? Was ist eine "große Frage"? Woran machst Du die "Bedeutung" der Antworten fest?Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:40:45Hier eine kleine Auswahl aus meiner Sicht (beliebig zu ergänzen):- Schön, die Welt ist eine Formel. Aber woher kommt sie? Hat sie vielleicht jemand aufgestellt?- Warum hinterfragt ein Goldfisch nicht sein Aquarium, aber wir die Welt? Dann wäre in der Weltformel auch enthalten, dass es uns geben muss, um sie zu hinterfragen und zu entdecken. Warum nur?- Spielt es überhaupt eine Rolle, ob es auf solche Fragen Antworten gibt?- Warum waren eigentlich Teil 2 und Teil 3 von "Die Matrix" so schlecht?- Das sind nun wirklich Taschenspielereien, mein Gut'ster! Kann man aus Jux & Dollerei diskutieren, momentan ist mir meine Zeit dafür allerdings etwas zu kostbar ...
Die Motivation, eine Sprache zu entwickeln, ist letztlich einzig dieser Unselbstverständlichkeit geschuldet, denn wozu bräuchte eine Existenzform, die sich völlig selbst genügt, eine Sprache?
Als die individualisierte Existenzform, die er nun mal ist, wird der Mensch sie jedoch niemals auflösen, da eben diese seine Existenz sich erst innerhalb der fraglichen Spaltung entfalten kann. Eine "Antwort" auf die "letzte Frage" käme seiner Selbstaufhebung gleich (entspräche in Cronenbergs "eXistenZ" in etwa dem vermeintlichen "Ende" des "Spiels").
Zitat von: Kallisti am 01 Januar 2012, 01:36:42Kann zwar kaum noch die Fensterläden offenhalten und der Geist is auch nich wirklich im arbeitsfähigen Wachzustand (um folgen zu können), aber hier stimme ich mal ganz spontan zu. Ich hab auch iwie falsch gequotet - sorry, aber ich bin grad nicht fähig noch was auf die Reihe zu bringen. Es sei mir nachgesehen - jedenfalls bitte ich schon mal vorsorglich darum. Danke. -- Schlafen wäre eine Option.Zu dieser Zeit an diesem Datum wird einem grundsätzlich alles nachgesehen. Frohes neues Jahr auch hier noch einmal! ;-)
Den Gedanken, ALLES auf der Welt sei die Folge von Naturgesetzen und mit hinreichendem Mitteleinsatz an Theorien und Rechenpower zu analysieren und zu erklären, finde ich extrem unschön, so sehr ich ihn auch argumentativ verfechten kann. Ich wünsche mir manchmal zumindest in Teilen eine gewisse Remystifizierung der Welt...Aber die Entschlüsselung und Erklärung der Welt ist wohl nicht mehr aufzuhalten, also warum sich dann nicht einfach daran berauschen.
Was meinst Du hier mit "bei mehreren unberechenbaren Ereignissen kommt es zu einem berechenbaren"?
Ich glaube Du, Kenaz und ich sind eigentlich einer Meinung. Du stellst Dich scheinbar doof als Kommunikationskatalysator, Kenaz geht philosophisch ran und ich suche die legitimen Lücken, die die Naturwissenschaft (noch bzw. immer wieder oder gar neuerdings zu hauf) bietet, um ein Plätzchen für das Unerklärbare, den Geist/die Seele, einen Gott oder ähnliches unterzubringen, ohne mit ihr ins Gehege zu kommen.
Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:13:08Was meinst Du hier mit "bei mehreren unberechenbaren Ereignissen kommt es zu einem berechenbaren"?Nun, nimm Dir einen radioaktiven Stoff. Nach der Halbwertszeit ist die Hälfte aller Teilchen radioaktiv zerfallen. Wenn Du die Menge verringerst, bleibt das Ergebnis das gleiche. Aber wenn Du die Menge bis auf ein Teilchen reduzierst - was ist dann ? Ist das eine Teilchen nach der Halbwertszeit zerfallen oder nicht ? Man kann nach dem heutigen Kenntnisstand der Physik nicht vorhersagen, ob ein bestimmtes Teilchen nach der Halbwertszeit zerfallen wird oder nicht. Und angeblich fordert es die Theorie sogar. Und praktisch gibt es keine physikalische Eigenschaft, die an dem Teilchen meßbar bzw. bestimmbar wäre und hier einen Hinweis liefern könnte. Das ist das "unberechenbare Ergebnis". Aber wenn Du einen Haufen Teilchen nimmst, zerfällt nach der Halbwertszeit die Hälfte der Teilchen. Das ist das "berechenbare".
Nimm z.B. die Frage nach dem Urknall. Viele nahmen das wie ein Tabu: In dieser Singularität sind alle Naturgesetze außer Kraft, man kann also weder den direkten Zeitpunkt noch das davor berechnen oder herleiten. Also macht ein Nachdenken darüber keinen Sinn. Das ist natürlich absoluter Unsinn. Es gab etwas, was zum Urknall geführt hat und er selbst war scheinbar existent, also kann man auch fragen, was und wie es war und dazu kam. Z.B. war Jahrtausende ein geozentrisches Weltbild aktuell. Niemand kam auf die Idee, das absolut "Offensichtliche", nämlich daß die Erde der Mittelpunkt von allem sein muß, zu hinterfragen (bis Kopernikus kam). Martin Bojowald (dts. Physiker), hat mal mit seinem Prof. ein bischen rumgerechnet und kam zu dem Schluß, daß am Anfang evtl. garkeine Singularität herrschte, also Raum und Materie nicht auf einen Punkt zusammengedrückt waren. Und plötzlich konnte er weiterrechnen in der Zeit zurück, als es andere jemanls konnten - bis vor den Urknall. Und widersprechen tut es auch keinem Weltbild, soweit ich weiß. Was also nützte dieses Tabu ? Es war lediglich eine Erkenntnisbremse.
Zitat von: RaoulDuke am 31 Dezember 2011, 22:13:08Hier eine kleine Auswahl aus meiner Sicht (beliebig zu ergänzen):- Schön, die Welt ist eine Formel. Aber woher kommt sie? Hat sie vielleicht jemand aufgestellt?- Warum hinterfragt ein Goldfisch nicht sein Aquarium, aber wir die Welt? Dann wäre in der Weltformel auch enthalten, dass es uns geben muss, um sie zu hinterfragen und zu entdecken. Warum nur?- Spielt es überhaupt eine Rolle, ob es auf solche Fragen Antworten gibt?- Warum waren eigentlich Teil 2 und Teil 3 von "Die Matrix" so schlecht?stehst Du auf Dresche ?
[...] Endgültig erklärbar wird sowieso nicht alles sein - ich hab hier schonmal den Gödelschen Unvollständigkeitssatz erwähnt: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delscher_Unvollst%C3%A4ndigkeitssatz.
Zitat von: Multivac am 02 Januar 2012, 15:46:24[...] Endgültig erklärbar wird sowieso nicht alles sein - ich hab hier schonmal den Gödelschen Unvollständigkeitssatz erwähnt: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delscher_Unvollst%C3%A4ndigkeitssatz. Verdammt, Gödel.Der Unvollständigkeitssatz ist der erste Einwand, der die schöne Theorie zum Einsturz bringen kann.Darüber muss ich erst einmal nachdenken.