Schwarzes Hamburg

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Autor Thema: Gewaltspirale ?!  (Gelesen 15543 mal)

colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #15 am: 01 Juli 2011, 16:44:49 »


Jahr   Gewalt-  Gewalt-
          delikte    delikte
           in HH    je 1000 Einw.
-----------------------------------------
1990   7001   4,1
1991   7913   4,7
1992   8114   4,7
1993   9210   5,4
1994   7652   4,5
1995   8882   5,2
1996   9322   5,5
1997   10277   6,0
1998   9675   5,7
1999   9254   5,5
2000   9816   5,8
2001   9554   5,6
2002   8817   5,1
2003   9139   5,3
2004   9108   5,3
2005   8916   5,2
2006   8978   5,2
2007   8866   5,1
2008   8846   5,1
2009   9574   5,5

(Quelle: Statistik Nord)
Kleines Update, da ich eben den aktuellen Polizeibericht von 2010 gesehen habe: Im letzten Jahr gab es in Hamburg 8608 zur Anzeige gebrachte Gewalttaten, also 4,8 pro 1000 Einwohner.
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PlumBum

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #16 am: 01 Juli 2011, 23:22:01 »

Kleines Update, da ich eben den aktuellen Polizeibericht von 2010 gesehen habe: Im letzten Jahr gab es in Hamburg 8608 zur Anzeige gebrachte Gewalttaten, also 4,8 pro 1000 Einwohner.
Oh nein... die Zahl der Gewalttaten sinkt ja ins Bodenlose... wenn das so weitergeht, haben wir bald gar keine Gewalt mehr... schnell, prügelt euch um die Statistik zu retten!
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colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #17 am: 02 Juli 2011, 02:09:23 »

Oh nein... die Zahl der Gewalttaten sinkt ja ins Bodenlose... wenn das so weitergeht, haben wir bald gar keine Gewalt mehr... schnell, prügelt euch um die Statistik zu retten!
Wie zuvor dargelegt, liegt 4,8 Gewalttaten pro 1000 EW vollkommen im Normalbereich. Auch wenn Ahlhaus sich für seinen Wahlkampf zwei Zahlen aus Einzeljahren rausgepickt hat und damit versucht hat, einen Kriminalitätsrückgang von 25% als seinen Verdienst zu reklamieren.

Btw. in diesem Kontext ganz interessant: Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom - mehr Polizeipräsenz verursacht mehr Kriminalität.
« Letzte Änderung: 02 Juli 2011, 02:11:44 von colourize »
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K-Ninchen

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #18 am: 02 Juli 2011, 15:00:55 »

Btw. in diesem Kontext ganz interessant: Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom - mehr Polizeipräsenz verursacht mehr Kriminalität.

Schwierig zu sagen... Zitat aus dem selben Artikel:
Zitat
Tatsächlich hat aber die Präsenz der Polizei als solche nicht zu einem Anstieg der Kriminalität geführt. Vielmehr ist das Dunkelfeld der Kriminalität kleiner, also die Anzahl der bekanntgewordenen Straftaten größer geworden.

Interessant ist aber auch, dass die Aktivitäten von Ronald Schill, der so in den Jahren 2002-2005 aktiv war, sich nicht wirklich merkbar auf die Polizeistatistik ausgewirkt haben.

Die reine Zahl der gemeldeten Straftaten ist ein schwieriges Messinstrument, besonders, wenn es einen Graubereich gibt von Straftaten, die nicht zur Anzeige gebracht werden. Sei es aus Scham oder Angst der Opfer oder warum auch immer. Rein hypothetisch: Würde z.B. bekannt, dass ein Straftäter an einem Opfer Rache genommen hätte, würden die Statistiken sehr wahrscheinlich sinken, nicht weil weniger Straftaten begangen werden, sondern weil sich weniger Opfer trauen, Anzeige zu erstatten, aus Angst vor Rache oder weil sie kein Vertrauen in die Polizei und/oder Justiz haben.
« Letzte Änderung: 02 Juli 2011, 15:03:13 von K-Ninchen »
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Im Falle eines Missverständnisses:
Ich bin zutiefst bösartig und hinterhältig (kein Wunder bei dem Sternzeichen) und habe grundsätzlich niedere Beweggründe für fast alles.

Kallisti

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #19 am: 02 Juli 2011, 15:58:24 »

Das ist ein gewichtiges Argument: Was nützt Statistik, wenn die "Dunkelziffer" unbekannt ist - wenn eben viele Straftaten nicht angezeigt werden - vielleicht auch, aus Resignation - weil die Opfer nicht mit "Erfolg" rechnen bzw. die Erfahrung/Praxis zeigt, dass Straftäter nicht gefunden oder nicht "belangt werden" können ...

Auch den Rache-Aspekt kann ich nachvollziehen (als Grund, eine Straftat nicht anzuzeigen) - und ja, Scham spielt ja insbesondere bei "sexuellen Übergriffen" eine große Rolle - leider immer noch.

Was also können solche Statistiken dann eigentlich letztlich aussagen/aufzeigen?




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colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #20 am: 02 Juli 2011, 16:05:20 »

Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, aber warum sollte die nicht genauso konstant sein wie die Zahl der angezeigten Straftaten, wenn doch die Rahmenbedingungen wie Polizeipräsenz über die Jahre hinweg in etwa gleichbleiben?

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Kallisti

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #21 am: 02 Juli 2011, 16:35:56 »

Natürlich gibt es immer eine Dunkelziffer, aber warum sollte die nicht genauso konstant sein wie die Zahl der angezeigten Straftaten, wenn doch die Rahmenbedingungen wie Polizeipräsenz über die Jahre hinweg in etwa gleichbleiben?


Oh, das verstehe ich nun gar nicht (oder: wahrscheinlich völlig falsch ... ;) ). - Nur weil/wenn "die Rahmenbedingungen" (für Straftaten selbst oder: für die vermeintliche Vorbeugung/Vermeidung derselben?) mehr oder weniger unverändert bestehen, heißt das im Umkehrschluss, dass deshalb die Straftaten bzw. die Dunkelziffer für Straftaten auch (mehr oder weniger) unverändert bleibt?

Das würde ja heißen, dass es "irgendetwas oder jemanden" gäbe, das/der das so "plant", "steuert": dass also die Dunkelziffer für Straftaten (die also nicht angezeigt werden) in direkter Relation bzw. Abhängigkeit zu den Rahmenbedingungen steht?

Und wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, dann ändert sich auch die Dunkelziffer? - Auf welche Weise das?

Ich bin glaub ich grade wirklich "kognitiv überfordert".   ;D  Will sagen: Diese "Beziehung" schnall ich nicht.  ???  (Ich vermisse an dieser Stelle den smiley mit den drei Fragezeichen überm Kopf.)


Ist es nicht viel mehr so, dass der Begriff "Dunkelziffer" beinhaltet, dass man hierüber kaum eine Aussage machen kann - dass es sich um etwas nicht Greifbares, schlecht Erfassbares handelt? Daher finde ich, dass man auch kaum von einer konstant bleibenden "Dunkelziffer" sprechen kann.  ?


??? (Hier wieder o.gen. smiley vorstellen, bitte. Danke.  :D )

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colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #22 am: 02 Juli 2011, 16:39:15 »

Nenne einen Grund dafür, warum die Dunkelziffer schwanken sollte.

Die Zahl der angezeigten Gewalttaten bleibt ja auch über viele Jahre konstant, ohne dass "irgendetwas oder jemand" dies steuern würde.
« Letzte Änderung: 02 Juli 2011, 16:41:06 von colourize »
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Kallisti

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #23 am: 02 Juli 2011, 17:24:49 »

Na, die (unbekannte!) sogen. Dunkelziffer ist ja gerade nicht mit einer statistisch erfassten/bekannten (Zahl) vergleichbar. ?

Daher kann man doch aufgrund der Natur der Sache über eine Dunkelziffer nur sehr wenige Aussagen machen. ? Also auch über ihre "Schwankungen" keine.

Die statistischen Zahlen können "schwanken" - eben das lässt sich ja auswerten - aber wie (auf welche Weise, mit welcher Methode) soll eine Dunkelziffer "ausgewertet" und daher ihre "Schwankung(en)" bestimmt, benannt, erfasst werden können?

Warum die Zahl der statistisch erfassten Gewalttaten konstant bleibt, hat meiner Ansicht nach daher andere Gründe bzw. ist nicht vergleichbar mit der Dunkelziffer/Dunkelzahl - die man ja einfach nicht "messen", nicht wirklich erfassen, nicht auswerten kann.

?


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colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #24 am: 02 Juli 2011, 17:45:23 »

Schon mal was vom Gesetz der großen Zahlen gehört?

Die Selbstmordrate in einer Gesellschaft bleibt doch auch über Jahre hinweg konstant, und das obwohl sich selbst umzubringen die persönlichste aller Entscheidungen ist und es jeder Mensch genau ein einziges mal erfolgreich schaffen kann. Es ist also immer andere Menschen, die sich umbringen. Nur halt jedes Jahr gleich viele.

Es macht statistisch gesehen keinen Unterschied, ob ich 2000 mal eine Münze werfe, 2000 mal mit einem Würfel würfele oder 2000 menschliche Handlungen betrachte. Bei konstanten Rahmenbedingungen bleiben auch die betreffenden Häufigkeiten - innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls - konstant.

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messie

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #25 am: 02 Juli 2011, 20:09:44 »

Ich folge da colourize' Logik.

Weiterhin denke ich, dass sich die Dunkelziffer lediglich dann verändert wenn es einen Grund dafür gibt, der sie vergrößern oder respektive verkleinern lässt.
Wenn beispielsweise ein Vergewaltigungsopfer vor Gericht Recht bekommt und dies in allen Medien steht, dann wird das vermutlich andere vergewaltigte Damen ermutigen, selbst Strafanzeige zu stellen.
Wenn wiederum selbst bei starken Indizien bei einem solchen Opfer der Täter nicht verurteilt werden kann weil z.B. die Polizei bei der Spurensicherung geschlampt hat, dann dürfte solch ein Fall vermutlich wiederum viele Frauen dazu motivieren die Klappe zu halten, weil sie glauben dass es bei ihnen genauso laufen würde.

Aber selbst hier kann man sich die Frage stellen, ob die Pro- versus Kontratrigger letztlich ebenfalls nicht gegenseitig aufheben. Freisprüche bei z.B. Vergewaltigungsprozessen gibt es ja genug, Verurteilungen ebenfalls.

Dass unter Schill nicht mehr Straftaten aufgedeckt werden konnten, wundert mich im Übrigen überhaupt nicht. Er kündigte zwar an mehr Polizisten einzustellen und damit möglich zu machen dass mehr Straftaten aufgedeckt werden, das ist de facto aber ja gar nicht passiert (bis auf eine Alibiaktion mit Polizisten aus Bayern). Kein Wunder, dass die Zahlen gleich blieben.
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Kallisti

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #26 am: 03 Juli 2011, 03:54:17 »

Schon mal was vom Gesetz der großen Zahlen gehört?

Die Selbstmordrate in einer Gesellschaft bleibt doch auch über Jahre hinweg konstant, und das obwohl sich selbst umzubringen die persönlichste aller Entscheidungen ist und es jeder Mensch genau ein einziges mal erfolgreich schaffen kann. Es ist also immer andere Menschen, die sich umbringen. Nur halt jedes Jahr gleich viele.

Es macht statistisch gesehen keinen Unterschied, ob ich 2000 mal eine Münze werfe, 2000 mal mit einem Würfel würfele oder 2000 menschliche Handlungen betrachte. Bei konstanten Rahmenbedingungen bleiben auch die betreffenden Häufigkeiten - innerhalb eines bestimmten Konfidenzintervalls - konstant.


Nein, weder von dem einen noch dem anderen hatte ich bisher gehört. Und ja, es "überfordert" (?) mich. Denn:

Was die "2000 menschlichen Handlungen" (Beispiele also Straftat oder Suizid - wobei ich mich schon frage, wie du in diesem Zusammenhang nun ausgerechnet auf Selbsttötung kommst. bzw. ausgerechnet diese (im Thema) anführst - aber das ist eine andere Geschichte und soll ein ander Mal erzählt werden) betrifft - das Konfidenzintervall bezieht sich doch (wenn ich das richtig verstanden habe?) auf Schätzungen bzw. Schätzwerte bzw. das Gesetz der großen Zahlen auf Wahrscheinlichkeiten?

Ich verstehe noch nicht, inwieweit sich dies (Gesetz der großen Zahlen und Konfidenzintervall) auf die Dunkelziffer von Straftaten übertragen, anwenden lässt bzw. inwieweit diese beiden Phänomene, mathematischen Methoden eine Dunkelziffer erklären, welche Aussagen man mit ihrer Hilfe über eine Dunkelziffer machen kann?

Welche sind bei einem/für ein bzw. das Konfidenzintervall die "konstant bleibenden Rahmenbedingungen"?

Ich wiederhole mich: nach meinem bisherigen (?) Verständnis/Kenntnis des Begriffes "Dunkelziffer", ist diese nicht benennbar, nicht berechenbar, nicht bestimmbar. - Unabhängig von irgendwelchen "Rahmenbedingungen".

?


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colourize

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #27 am: 03 Juli 2011, 05:17:21 »

Wir kennen nicht die Größe der Dunkelziffer. Wir wissen aber mit einiger Sicherheit, dass sie - konstante Rahmenbedingungen vorausgesetzt - konstant ist. Damit lässt sich die Zahl der Gewalttaten insgesamt (also angezeigte Gewalttaten plus Dunkelziffer) als lineare Funktion der angezeigten Gewalttaten interpretieren.

"Gewalttaten insgesamt" = "angezeigte Gewalttaten" mal Faktor x

wobei für Faktor x gilt = 1 + Zahl der nicht angezeigten Gewalttaten, die auf eine angezeigte Gewalttat entfallen

Da die Zahl der Gewalttaten insgesamt folglich eine Funktion der angezeigten Gewalttaten ist, ist es völlig unerheblich, wie viele nicht zur Anzeige gebrachten Gewalttaten auf eine angezeigte Gewalttat entfallen, um anhand der Veränderung der Zahl der angezeigten Gewalttaten die Veränderungsrate der Gewalttaten insgesamt abzulesen.

Anders gesprochen: Die Höhe der Dunkelziffer ist völlig egal, um eine Aussage darüber zu treffen, ob unser Leben im Laufe der Zeit gefährlicher geworden ist oder nicht. Dafür reicht die Betrachtung der Veränderung der zur Anzeige gebrachten Gewalttaten völlig aus.
« Letzte Änderung: 03 Juli 2011, 05:22:50 von colourize »
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messie

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #28 am: 03 Juli 2011, 11:32:52 »

Ich glaube, dass die Rahmenbedingungen im Großen und Ganzen gleich bleiben und deswegen auch die Dunkelziffer im Großen und Ganzen gleich bleibt.

Anders wäre es, wenn z.B. deutlich mehr Polizisten pro Person auf Achse sind (= höhere Wahrscheinlichkeit Täter zu entdecken, zu erwischen und damit die Dunkelziffer zu verkleinern) oder sich Meldungen massiv häufen, dass man bei Anzeige einer Straftat um sein Leben fürchten muss und einem die Polizei nicht verhindern konnte dass jemand sein Leben verlor (= Dunkelziffer steigt, weil der Faktor "Angst" eine Rahmenbedigung ist, die sich verändert, hier: Vergrößert, hat).

Kurz gesagt verstehe ich die Diskussion so:
Kallisti: "Woher willst du denn wissen, dass nicht mehr Straftaten nicht angezeigt werden?"
Colourize: "Weil bei gleichen Rahmenbedingungen sich Menschen in der Masse gleich verhalten, und ich halte die Rahmenbedingungen für gleichbleibend".

Interessant finde ich die Frage dennoch: Wenn nun zwei Jugendliche auf einem U-Bahnhof jemanden zu Brei schlagen, dies gefilmt wird und sie erwischt werden, was heißt das denn dann?

a) Menschen denken "mir kann passieren dass ich auf dem U-Bahnhof totgehe, also meide ich ihn künftig" -> Folge: Kriminalstatistik sinkt, weil Täter weniger Ziele vor Ort haben
b) Potenzielle Täter sehen dass auf U-Bahnhöfen Aggressionen ausleben nix bringt wegen Kamera, also machen sie es dort wo kein Auge zuguckt -> Kriminalstatistik bleibt gleich, lediglich "Anzeige gegen xy" wechselt gegen "Anzeige gegen Unbekannt"
c) Menschen verhalten sich ängstlicher auf Bahnhöfen, werden dadurch noch viel mehr zu potenziellen Opfern und die Täter langen öfters zu als vorher -> Kriminalstatistik steigt

Just aus diesen widersprüchlichen möglichen Konsequenzen solcher Meldungen glaube ich, dass sich die Effekte gegenseitig aufheben. Weswegen ich ebenfalls glaube, dass echt viel passieren muss, bis sich die äußeren Rahmenbedingungen spürbar verändern.
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Kallisti

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Re: Gewaltspirale ?!
« Antwort #29 am: 03 Juli 2011, 11:54:08 »

Wir kennen nicht die Größe der Dunkelziffer. Wir wissen aber mit einiger Sicherheit, dass sie - konstante Rahmenbedingungen vorausgesetzt - konstant ist. Damit lässt sich die Zahl der Gewalttaten insgesamt (also angezeigte Gewalttaten plus Dunkelziffer) als lineare Funktion der angezeigten Gewalttaten interpretieren.

"Gewalttaten insgesamt" = "angezeigte Gewalttaten" mal Faktor x

wobei für Faktor x gilt = 1 + Zahl der nicht angezeigten Gewalttaten, die auf eine angezeigte Gewalttat entfallen

Da die Zahl der Gewalttaten insgesamt folglich eine Funktion der angezeigten Gewalttaten ist, ist es völlig unerheblich, wie viele nicht zur Anzeige gebrachten Gewalttaten auf eine angezeigte Gewalttat entfallen, um anhand der Veränderung der Zahl der angezeigten Gewalttaten die Veränderungsrate der Gewalttaten insgesamt abzulesen.

Anders gesprochen: Die Höhe der Dunkelziffer ist völlig egal, um eine Aussage darüber zu treffen, ob unser Leben im Laufe der Zeit gefährlicher geworden ist oder nicht. Dafür reicht die Betrachtung der Veränderung der zur Anzeige gebrachten Gewalttaten völlig aus.


Nee, das leuchtet mir immer noch nicht ein - der Punkt mit der konstant bleibenden Dunkelziffer, in Abhängigkeit zu bzw. bei konstant bleibenden Rahmenbedingungen. Denn:

Zitat
Adolphe Quetelet ging dabei davon aus, das die Konstanz der Hell- Dunkelfeldbeziehung vor allem von der Gleichmäßigkeit der Strafverfolgung, einer gleich bleibenden Effizienz der Behördentätigkeit, der Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, deren Wissen um eine erlittene Schädigung, von der gleich bleibenden Exaktheit der statistischen Erfassung und vom unveränderten Fortbestand der Gesetze abhängig ist. Auch Enrico Ferri (1896) ging von einem konstanten Verhältnis aus. Er unterschied zwischen:

    * criminalità reale = alle wirklich begangenen Delikte
    * criminalità apparente = die den Behörden bekanntgewordenen Delikte
    * criminalità legale = die ab- und verurteilten Delikte

Zitat
[...]
Ferris Annahme bezüglich eines konstanten Verhältnisses bezog sich dabei auf eine Konstanz zwischen criminalità reale und apparente. Den vermuteten Zusammenhang betitelte Wadler 1908 als das „Gesetz der konstanten Verhältnisse“. (Heinz, 1972) Mithilfe dieser, nie empirisch bewiesenen theoretischen Grundannahme, wurden in der Folgezeit mit Hilfe der Kriminalstatistiken Rückschlüsse auf die Struktur, den Umfang und die Bewegung der Gesamtkriminalität gezogen, da diesen dank der vermuteten Konstanz repräsentative Aussagekraft zugeschrieben wurde. Dadurch wurde eine Verbrechenswirklichkeit geschaffen, die einer empirischen Überprüfbarkeit entbehrte, trotzdem immensen Einfluss auf die kriminologische Wissenschaft und Kriminalpolitik hatte. „So half sich die Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalpolitik über das Dilemma des Dunkelfeldes bislang (grundsätzlich) mit der Hypothese von der Konstanz der Verhältnisse zwischen registrierter und tatsächlicher Delinquenz hinweg…“ (Schwindt, 2001) Ergebnisse der Dunkelfeldforschungen entlarvten aber das Gesetz der konstanten Verhältnisse in seiner ursprünglichen undifferenzierten Form als Mythos und führten zu entsprechenden Modifikationen. Dementsprechend zeigte sich, dass:

    * sich die Vermutung der konstanten Verhältnisse bezogen auf einen bestimmten geografischen Raum erstens nur bei schweren Straftaten und zweitens nur innerhalb von Streubreiten (Zufallsbereichen) zu bestätigen scheint und drittens nur für Zeiträume, die in politischer Hinsicht (noch) zusammengehören, z.B. (gleich bleibende) Anzeigebereitschaft
    * sich die Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld innerhalb eines Stadtgebietes bei bestimmten Delikten (z.B. Diebstahl) voneinander derart unterscheiden, dass neben hohen Hellfeldzahlen auch Dunkelfeldzahlen stehen bzw. umgekehrt neben niedrigen Hellfeldzahlen grundsätzlich auch niedrige Dunkelfeldzahlen festgestellt werden können. (Schwindt, 2001)

Somit kam es zu einer erneuten Umdefinition der Bedeutung der Kriminalstatistiken. Weg von einem repräsentativen Messinstrument der Kriminalitätswirklichkeit, hin zu einem Indikator für die Art, Struktur und Wandlung der strafrechtlichen Sozialkontrolle und einem damit zusammenhängenden Herstellungs- und Ausfilterungsprozess.
[...]

http://www.kriminologie.uni-hamburg.de/wiki/index.php/Dunkelfeld


außerdem


Zitat
Hellfeld

Als Hellfeld bezeichnet man diejenige Kriminalität, welche bei den offiziellen Behörden bekannt geworden ist und dadurch in den Kriminalstatistiken erfasst wird. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass das sog. Hellfeld nicht eine objektive Verbrechenswirklichkeit abbildet, da z.B. Justizirrtümer, die in den Statistiken als kriminielle Handlungen erfasst werden, verfälschend wirken.
Dunkelzifferrelation

Da eine Angabe über die Größe des Dunkelfeldes als absolute Zahl nicht sinnvoll, bzw. nicht möglich ist, wurde versucht zumindest ein Verhältnis zwischen Hell- und Dunkelfeld, im Format 1:x (eine registrierte Tat zu x nicht registrierten Taten), anzugeben.
Dunkelfeldforschung

Die „Erhellung“ des Dunkelfeldes hat sich die „Dunkelfeldforschung“ zur Aufgabe gemacht. Das Ziel der Dunkelfeldforschung war und ist es, wirklichkeitsnahe und von den Strukturen der offiziellen Sozialkontrolle unabhängige Daten zu Umfang, Struktur, Entwicklung und Entstehungsbedingungen von Kriminalität zu erhalten. Auf die Dunkelfeldforschung wird vertiefend im nächsten Abschnitt eingegangen.
Absolutes vs. relatives Dunkelfeld

Kann das Dunkelfeld weder durch die Kriminalstatistiken noch durch die Dunkelfeldforschung erfasst bzw. aufgehellt werden, wird es als "absolut" bezeichnet.

Der Begriff "relativ" kennzeichnet dagegen ein Dunkelfeld, welches nicht durch die Kriminalstatistiken erfasst, aber durch die Dunkelfeldforschung aufgehellt werden kann.



(selbe Quelle wie oben)


oder hier

Zitat
Die Relation zwischen Hell- und Dunkelfeld ist nicht konstant. D.h. beispielsweise, dass aus einem Anstieg der registrierten Fälle einer bestimmten Straftat nicht geschlossen werden kann, dass diese Straftat tatsächlich häufiger begangen wurde. Die Größe des Hellfelds ist vor Allem abhängig von Kontrollverhalten der Polizei und Anzeigeverhalten der Bevölkerung.

Die Dunkelziffern variieren je nach Delikt.

http://de.wikipedia.org/wiki/Hellfeld_%28Kriminologie%29


Das heißt doch: Die Zahl der bekannten, statistisch erfassten Straftaten (Hellfeld) ist abhängig von "den Rahmenbedingungen", steht in Verhältnis zu diesen, nicht aber die Dunkelziffern/das Dunkelfeld.



« Letzte Änderung: 03 Juli 2011, 12:21:08 von Kallisti »
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