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Ehrenamt / Freiwilligendienst(e)
phaylon:
Schreib' nen Filter *eg*.
p
Der Uhu:
Beim Thema ehrenamtliches Engagement sollte man auch nicht vergessen, daß ausser den sozialen Einrichtungen, auch noch solche Dinge wie Sportvereine, Naturschutzverbände, Nachbarschaftshilfen, Dorfjugend, Trachtenvereine oder von mir aus auch Rollenspielevents (etc. etc.) von ehrenamtlicher Arbeit leben. Wenn es die nicht gäbe, müssten diese Gruppen entweder so hohe Mitgliedsbeiträge/Preise verlangen, daß niemand mehr Lust hätte dort mitzumachen, oder sie müssten so viele ihrer Spenden/Mitgliedsbeiträge für Löhne ausgeben, daß für den eigentlichen Zweck kein Geld mehr da wäre. Dann hätte auch niemand mehr Lust zu Spenden, denn wer will schon Geld spenden, wenn eine Organisation all das Geld ausgibt, um sich selbst zu erhalten aber kaum jemandem mehr helfen kann, weil ein Großteil des Geldes schon vorher verbraucht wird. Auch hätte niemand mehr Lust Fußball im Verein zu spielen, wenn er 100€ Mitgliedsbeitrag bezahlen soll. Und gerade die Sportvereine sind es, die einen Zusammenhalt und neue Bekanntschaften zwischen Leuten knüpfen. Auch die Jugendarbeit wäre kaum noch möglich. Ein großer Teil des sozialen Lebens würde zusammenbrechen und der Rest, der dann noch verbleibt wäre genauso kommerzialisiert wie jedes x-beliebige Wirtschaftsunternehmen. Ich bin eigentlich schon genug von Leuten umgeben, die nur mein Geld wollen, darum bin ich eigentlich froh, daß es so viele Leute gibt, die sich für eine Sache, die ihnen richtig und wichtig erscheint, einsetzen. Von mir aus könnten das noch viel mehr Leute machen ohne dafür die Hand aufzuhalten.
@Jinx: Stimmt wohl, daß sich sehr viele Frauen in sozialen Einrichtungen engagieren. Das gilt wie du schon geschrieben hast in besonderem Maße für die kirchlichen Einrichtungen. Es interessieren sich ja auch viel mehr Frauen für soziale Tätigkeiten. Darum sind ja auch Studiengänge wie Sozialpädagogik mehrheitlich von Frauen belegt. Somit haben es soziale Einrichtungen wohl einfach schwer Männer für sich zu begeistern, so wie es der THW wohl schwer hätte, Frauen für sich zu begeistern. Da liegt es dann natürlich nahe, daß soziale Einrichtungen für ihre ehenamtliche Arbeit eher Frauen umwerben und der THW halt eher Männer. Ich würde ihnen das nicht zum Vorwurf machen. Es ist nur pragmatisch.
Allerdings gibt es auch viele Organisationen, wo die ehrenamtliche Arbeit mehrheitlich von Männern geleistet wird, z.B. die meisten Sportvereine, THW oder freiwillige Feuerwehr. Sind halt typische Männerdomänen. Beim NABU hält es sich so ungefähr die waage, habe ich den Eindruck. ...Wollte ich nur mal ergänzen...
Der Uhu
Kallisti:
@colour
ja, kann halt mal wieder dem Uhu vollkommen zustimmen !
Hätte es absolut nicht besser erklären können!
-> Viele Menschen sind auf ehrenamtliche Arbeit anderer angewiesen, weil eben bestimmte Dinge ohne diese ehrenamtliche Arbeit einfach nicht möglich wären resp. sind!
Siehe UHU´s Beitrag !!
Und warum man anderen "helfen"/"Gutes tun" ... soll: weil man sich selbst dann vlt. auch "gut" fühlt, wenn man sieht, mitkriegt, erfährt, dass es anderen Menschen gut geht!!
In Freundschaften und Beziehungen läuft das doch nicht anders: warum macht man den Menschen, die man mag, gerne eine Freude (immer wieder mal ...)?: Weil man ihnen damit vlt. zeigen kann, dass/wie man sie schätzt, mag... und weil man sich freut, wenn sie sich freuen - so wie man eben auch (mit-) leidet, wenn sie leiden...!!
(Ist klar, dass ich nicht ausschließlich materielle "Freuden" meine.)
Weil es einen eben selbst umhaut, wenn man mitkriegt, dass, wie, warum ... andere leiden ... - und weil man das Bedürfnis hat, daran was zu ändern, ja, ob das nun letztlich also egoistische Motive sind, das ist ja wieder ein eigenes Thema - wie schon mehrfach erwähnt, zweifle ich daran, dass/ob es "wahren", echten Altruismus gibt - aber: eigenes Thema!
Jedenfalls ist solch "reiner" Altruismus m.A. nach auch gar nicht notwendig für ehrenamtliches Engagement - obwohl es natürlich toll wäre, wenn Mensch so (echt - altruistisch) wäre.
Umgekehrte Frage an dich:
Warum soll(te)st du dich (man sich) nicht ehrenamtlich engagieren (zum Thema Entlohnung hat Uhu ja auch was Interessantes und Wichtiges beigetragen!!) ?
phaylon:
--- Zitat von: "Kallisti" ---Und warum man anderen "helfen"/"Gutes tun" ... soll: weil man sich selbst dann vlt. auch "gut" fühlt, wenn man sieht, mitkriegt, erfährt, dass es anderen Menschen gut geht!!
--- Ende Zitat ---
Hm. Ich fühl mich auch allein recht gut, dafür brauch ich niemandem zu helfen. Gibt es auch Gründe, die nicht darauf abzielen das eigene Belohnungszentrum zu stimulieren? (Jaja, ich weiss..)
--- Zitat ---In Freundschaften und Beziehungen läuft das doch nicht anders: warum macht man den Menschen, die man mag, gerne eine Freude (immer wieder mal ...)?: Weil man ihnen damit vlt. zeigen kann, dass/wie man sie schätzt, mag... und weil man sich freut, wenn sie sich freuen - so wie man eben auch (mit-) leidet, wenn sie leiden...!!
(Ist klar, dass ich nicht ausschließlich materielle "Freuden" meine.)
--- Ende Zitat ---
Hm. Das sehe ich differenzierter. Diese Leute /kenne/ ich. Bei diesen Leuten habe ich mich aufgrund dessen, was ich über sie weiss und was wir erlebt haben dazu entschlossen, so zu handeln. Warum sollte ich das Fremden gegenüber tun?
--- Zitat ---Weil es einen eben selbst umhaut, wenn man mitkriegt, dass, wie, warum ... andere leiden ...
--- Ende Zitat ---
Nä.
--- Zitat ---Jedenfalls ist solch "reiner" Altruismus m.A. nach auch gar nicht notwendig für ehrenamtliches Engagement - obwohl es natürlich toll wäre, wenn Mensch so (echt - altruistisch) wäre.
--- Ende Zitat ---
Denen, denen's hilft, wirds wohl egal sein *g*
--- Zitat ---Warum soll(te)st du dich (man sich) nicht ehrenamtlich engagieren (zum Thema Entlohnung hat Uhu ja auch was Interessantes und Wichtiges beigetragen!!) ?
--- Ende Zitat ---
Ich antworte mal für mich: Weil ich Besseres zu tun habe.
p
colourize:
Warum sollte man sich nicht ehrenamtlich engagieren?
Zwei Aspekte:
1.) Die sozialökonomische Dimension
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich denke dass für die Gesellschaft "wichtige" Bereiche oder Tätigkeiten entlohnt werden müssen. Alles was als nicht so sehr wichtig erachtet wird, kann man dagegen "ehrenamtlichem" Engagement überlassen. Dazu würde ich zum Beispiel die von Uhu erwähnten Trachtengruppen oder die Rollenspielevents zählen. Unsere Gesellschaft kommt ohne Trachtengruppen ganz gut aus, aber nicht ohne Sozialarbeiter.
Ich bemerke in der letzten Zeit, dass alle möglichen Institutionen (vor allem die Politik) zum verstärkten ehrenamtlichen Engagement im sozialen Bereich aufrufen. Zum Teil wird dieser Druck auch durch Privatpersonen in ihrem (erweiterten) Bekanntenkreis weitergegeben. So wie Du, Kallisti, in diesem Thread hier. Die Hauptargumentation ist dabei: "Es ist nicht genug Geld da, die gesellschaftlich 'wichtigen' Tätigkeiten alle zu finanzieren."
Das halte ich für totalen Blödsinn. Wenn etwas wirklich wichtig ist, dann wird dafür auch Geld bereitgestellt werden!
(Natürlich nur dann, wenn es nicht irgendwelche ehrenamtliche Arbeitssklaven gibt, die den Scheiss auch für einen feuchten Händedruck oder ein dickes Lob machen. Oder weil sie sich dann ach so gut fühlen, wenn sie so selbstlos sind und der Gesellschaft umsonst ihre Dienste zur Verfügung stellen.)
Wenn es sich wirklich um eine gesellschaftlich wichtige Tätigkeit handelt, und Niemand das umsonst machen würde, dann wird dafür auch Geld bereitgestellt werden (müssen). Und diese Wertschätzung von Arbeit in Form von Entlohnung - und nicht nur in Form eines feuchten Händedrucks - finde ich aus meiner gewerkschaftlichen Perspektive heraus betrachtet unerlässlich.
Wer unentgeldlich wichtige Tätigkeiten verrichtet, macht die Löhne kaputt. Die Löhne im Sozialbereich sind unter anderem deshalb so niedrig, weil es Menschen gibt, die diese oder ähnliche Tätigkeiten vollkommen ohne Entlohnung "ehrenamtlich" verrichten und damit die Arbeitsleistung der Festangestellten diskreditieren.
2.) Die sozialpsychologische Dimension
Ehrenamtliche Arbeit wird mehrheitlich von Menschen geleistet, die glauben auf diese Weise der totalen Ökonomisierung von Arbeitsleistung entgehen zu können. Wie oben beschrieben, ist dies sachlich falsch: Sie sorgen durch ihr Engagement vor allem dafür, dass die Löhne im Sozialbereich niedrig bleiben. Durch die ehrenamtliche Abdeckung der sozialen Arbeit und die damit einhergehende ökonomische Geringschätzung dieses Sektors werden die Tätigkeiten im Bereich Produktion und Dienstleistungen implizit aufgewertet. Konkret: Weil der finanzielle Aufwand im sozialen Bereich bedingt durch das ehrenamtliche Engagement von Vielen geringer ist als die eigentlichen Kosten, bleibt relativ gesehen mehr Geld für die Finanzierung der soganannten "produktiven" Arbeit übrig.
Die ehrenamtliche Arbeitsleistung wird häufig von Menschen erbracht, die eine Wertschätzung für ihre Arbeitsleistung erfahren wollen, sich selbst aber auf dem ökonomischen Arbeitsmarkt für nicht konkurrenzfähig halten. Ein Beispiel dafür ist sicher die Mitarbeit in sogenannten "Workcamps" (btw. schöne deutsche Übersetzung: "Arbeitslager"). Man arbeitet ohne Entlohnung und fühlt sich gut dabei, weil man ja gearbeitet hat.
Da im Kapitalismus die "eigentliche" Wertschätzung von Arbeit aber über materielle Transferleistungen erfolgt, wird der Arbeitsethos als solcher bejaht. Eine paradoxe Situation, da es ja eigentlich die ökonomische Erwerbsarbeit ist, die kritisiert wird. Die Allgemeingültigkeit des Arbeitsethos wird so unterstrichen und von der angemessenen Entlohnung für Arbeit entkoppelt.
Das eigentliche Problem in unserer Gesellschaft ist aber genau dieser Arbeitsethos, der uns suggeriert, dass wir nur dann etwas wert sind, wenn wir auch immer schön fleissig arbeiten. Das Wort "Arbeitsloser" ist durch den vorherrschenden allgemeinen Arbeitsfetischismus zu einem Schimpfwort geworden.
Ich glaube, dass die Gesellschaft besser wäre, wenn wir Arbeit und Leistung nicht so wichtig nehmen würden. Die Arbeits- und Leistungsgesellschaft macht die Menschen Glauben, dass sie arbeiten "müssen" um geliebt zu werden (bzw. um sich auch gerechtfertigter Weise selbst lieben zu dürfen). Um es mit Welle:Erdball auf den Punkt zu bringen; in unserer westlichen Welt gilt: Arbeit Adelt!
Ich glaube dass uns der Arbeitsethos nicht weiterbringt. Schlimm genug, dass wir unsere Arbeitskraft verkaufen müssen, um was zu beissen zu haben. Aber auch noch moralisch unter Druck gesetzt zu werden, darüber hinaus auch noch unentgeldlich zu arbeiten, damit wir uns selbst lieben dürfen (bzw. gerechtfertigter Weise besser fühlen dürfen, nachdem wir nach ner Arbeitswoche auch noch nen Wochenendeinsatz fürs THW geschoben haben), find ich echt unter aller Sau. Um dem etwas entgegenzusetzen fordere ich das Recht auf Faulheit.
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