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Kallisti:
Also ganz ausnahmsweise muss, kann, will ich mich da ja doch mal anschließen: Raoul und messie.
Transparenz (triggert mich inzwischen schon mächtig, ja ;D ) is ja schön und gut und wichtig und nützlich und so.
Aber ich sehe es auch so, wie bereits genannt - es ist eine Sache, zu dem zu stehen, wie man ist, wie man denkt, was man will, was man sagt, wie man sich verhält. Dafür allerdings bedarf es einer Entwicklung/Reifung und Charakterstärke. Also: Erfahrungen, die man reflektiert hat, bewusst "durchs Leben" zu gehen, besonnen, selbstkritisch, ehrlich usw.
Für mich ist durchaus vorstellbar, dass man im Leben Dinge macht(e)/sagte/dachte, fühlte oder auch erlebte, die einem irgendwann mal peinlich oder irgendwie unangenehm sind, von denen man sich distanziert, mit denen man nicht unbedingt gerne immer wieder oder ständig konfrontiert werden möchte (oder auch: sollte). Damit wird es allerdings schwierig, wenn alles öffentlich (einsehbar, verfügbar) ist - für also auch wildfremde Menschen.
Ein Problem dabei ist nämlich auch, dass solche fremden Menschen dann also über Informationen ("Privates" - was auch immer) verfügen und man selbst gar nicht weiß, wer alles (im näheren oder sehr weit entfernten dann auch: realen "Raum") was alles über einen weiß und was Menschen damit anfangen, welche Folgen das haben kann ...
--- Zitat von: colourize am 09 Juli 2012, 23:24:39 --- Das sind diejenigen, die am deutlichsten merken, dass die Realität um sie herum eine andere ist, als die hochanständige Welt in der sie sich selbst zu leben vorgaukeln.
--- Ende Zitat ---
Genau das ist der Punkt: Realität ist, dass "die Welt" bzw. die MENSCHEN nicht "alle" nett, anständig, moralisch, verantwortlich, rücksichtsvoll, tolerant, verständnisvoll, nachsichtig, verlässlich usw. sind ...
Ja, ich sehe da eine gewisse Gefahr - die man selber aber nicht sieht, nicht sehen kann, von der man nichts weiß, die man nicht kennt (solche Menschen, die auf seltsame Ideen kommen und diese zuweilen in seltsame Taten umsetzen ...).
Und was messie schon schrieb: Wie spannend ist es noch, wenn alle "gläsern" sind - was gibt es da noch zu erkunden, zu entdecken, welche Überraschungen bleiben noch - im ganz "harmlosen" menschlichen Miteinander?
Und wenn man also "nichts zu verbergen" hat bzw. es keine Privatheit mehr geben soll - ist es dann nicht ähnlich wie mit Sex: man ist "überfüttert", über"reizt", man wird damit zugeschüttet, auch mit "Dingen", die man vlt. gar nicht (wissen) will, sehen will - und ist es nicht das Recht des Einzelnen zu entscheiden, was er von Anderen erfahren, sehen ... will (von deren "Privatem")?
Ich meine - dann können wir uns auch auf dem Klo filmen oder wenn wir krank sind oder weiß ich was - is doch alles menschlich, warum also nicht VERÖFFENTLICHEN, für ALLE WELT frei zugänglich machen - egal wie eklig, peinlich, lächerlich, albern, unwichtig/banal/uninteressant, dumm, langweilig, absurd, gefährlich oder was immer es ist?!? ?
Das is ja dann wie bei Promis, die auch nicht (mehr) (alle) (immer) freiwillig entscheiden können, was sie wie oft, viel ... der Öffentlichkeit zeigen wollen.
Ich will nicht immer die ganze Welt, also mir völlig fremde Menschen mit an meinem Tisch oder Bett sitzen haben - ich weiß doch gar nicht, WER DA DANN DABEI IST, WER da an meinem Tisch, Bett ... sitzt - sie sehen mich, aber ich sehe sie nicht. Das ist einfach ein Ungleichgewicht.
Ich möchte doch bitte selbst entscheiden, wer für mich vertrauensvoll ist oder was ich eben über mich selbst mitteile - ja, dazu gehört auch: welches Bild ich von mir zeige, sogar: entwerfe - denn das tun wir alle - meistens unbewusst (immer dann schon, wenn wir über uns sprechen, auch über unsere Vergangenheit, über Erinnerungen ... es ist alles von "uns" schon "manipuliert", eingefärbt, abgewandelt ... - oft wie gesagt unbewusst).
Ich erinnere nochmal an die ganzen aktuell populären Steinzeittheorien (auf Ernährung und Medizin bezogen z.B. auch auf kindliche Entwicklung und Erziehung also ... ;) ) - wenn unser Gehirn tatsächlich noch immer auf max. ca. 150 Leute eingestellt ist, dann stellt es einfach eine unglaubliche Überforderung dar - ist ja auch schon lange so - seit Industrialisierung (?) - seit einfach wirklich zu viele Menschen auf zu engem Raum zu lange/viel/oft zu dicht miteinander zu tun haben, konfrontiert sind, aushalten müssen ... auch hier wieder die schon mal erwähnte "Kinesphäre" z.B. ...
Man spricht ja auch nicht umsonst von Stadtneurotikern. ;D
Aber belegt wird es doch auch damit, dass die Menschen sich also gestresst, gehetzt ... fühlen, dass sie die Natur, die Stille, die Ruhe suchen und als "heilsam", mindestens wohltuend und erquickend erleben ...
Wir tun also immer (unbewusst) irgendwie doch so, als seien wir nur ein kleiner Kreis - alles andere überfordert uns (sozial schon) - obwohl wir rational "wissen", dass es diesen kleinen Kreis nicht gibt, dass er Illusion ist - abgesehen von Leuten vlt., die wirklich irgendwo noch mit wenigen Anderen in einer kleinen Gemeinschaft leben und das überwiegend in/mit/von der Natur ...
RaoulDuke:
--- Zitat von: colourize am 09 Juli 2012, 23:24:39 ---
--- Zitat von: RaoulDuke am 09 Juli 2012, 18:45:32 ---[...]
Bald wissen Kollegen, Arbeitgeber, Kunden und Freunde dann eben sehr viel von einem, Post Privacy vielleicht alles. Kann das Miteinander trotzdem funktionieren, oder gibt es dann nicht Clash der Lebens-Sphären?
--- Ende Zitat ---
Diesen Crash wird es geben - die Frage ist nur, wer damit ein Problem haben wird. Ich vermute: Die Spießer, die mit einer "das nicht sein darf das ist auch nicht"-Brille durchs Leben gehen. Das sind diejenigen, die am deutlichsten merken, dass die Realität um sie herum eine andere ist, als die hochanständige Welt in der sie sich selbst zu leben vorgaukeln.
Und gerade das Beispiel der homosexuellen Politiker stimmt mich eigentlich recht zuversichtlich, dass eine Änderung der Normen schneller geht, als Viele glauben. In nicht mal einem Jahrzehnt hat sich die Welt von "der muss zurücktreten weil herausgekommen ist dass er schwul ist" auf "ja, der ist schwul - na und?" verändert. Warum sollte das nicht auch mit allen anderen "Devianzen" so sein?
--- Ende Zitat ---
Soweit stimme ich mit Dir überein. Leider folgere ich weiter, daß eine Große Zahl desillusionierter Spießer mit einer gewissen Grundfrustration ob des Zusammenbruchs ihres Weltbildes nichts ist, womit man Spaßen sollte.
Ich finde es gut und richtig, dass Gruppen, die diskriminiert wurden oder werden, auf die Straße gehen und für ihre Rechte kämpfen. Diesem Protest ging jedoch ein aktiver Angriff der spießerdominierten Welt voraus, deren Nachschwingen man beispielsweise beim CSD noch mit den Händen greifen kann (Anlaß, Datum, Message...)
Fasst man Devianz einmal generell als Abweichung auf, ob diese nun in einer philosophischen Grundhaltung zum Leben, in der Beschäftigung mit Kultur und anderer Freizeitgestaltung oder im sexuellen Bereich angesiedelt ist, dann stellt sich die Frage, ob man hier wirklich einen vergleichbaren Kampf ausfechten muß. Größtenteils decken ja die rechtlichen Rahmenbedingungen eine recht freie Lebensgestaltung ab, teilweise weitgehender als man gemeinhin annehmen mag. Vgl. dazu beispielsweise §228 StGB, wo wir oben gerade bei spezifischen Devianzen waren. Leider kann ich hier keine juristische Debatte über das Wesen der guten Sitten anfangen, aber vielleicht mag jemand anderes sich ja dazu äußern, inwiefern diese ein Instrument der Diskriminierung darstellen könnten - ich kenne mich da leider zu wenig aus...
Dass viele Menschen weiter innerlich nach der Devise verfahren "Ein Nagel, der heraussteht, wird eingeschlagen", kann man wohl doch nicht ändern. Ich glaube, wenn die Bild nicht mehr die (teilw. Ex-)Bürgermeister von Berlin und Hamburg absägen kann, dann ist schon alles gewonnen, das man gewinnen kann. Was man nicht weiß, macht einen nicht heiß, heißt es. Also warum nicht einfach auf low profile machen und dafür sorgen, dass nicht irgendein RTL 2 - Kamerateam auf Skandalentzug irgendwo mit der Kamera auftaucht und fiese Devianten vorführen will?
Ach ja, ob ich einen Politiker, wie von Dir beschrieben, wählen würde? Das hängt hauptsächlich von seinen anderen Ansichten und Handlungen ab, aber für die Offenheit gäbe es auf jeden Fall reichlich Mumm-Punkte. Es gibt viel zu wenig Authentizität in der Politik, und es wäre ein Signal gegen all diese inhaltsentleerten dauergrinsenden Teflon-Wendehälse, die in dem Feld ja reichlich rumgeistern.
Kallisti:
Vielleicht hilfreich in dieser Angelegenheit:
http://de.wikipedia.org/wiki/Strukturwandel_der_%C3%96ffentlichkeit
Wobei man letztlich halt doch die "Primärliteratur" lol (also Habermas selber) lesen muss ... also müsste/sollte ... 8)
Multivac:
http://www.grusskartenkaufen.de/images/produkte/i44/4468.jpg
Kallisti:
--- Zitat von: Multivac am 12 Juli 2012, 20:36:33 ---http://www.grusskartenkaufen.de/images/produkte/i44/4468.jpg
--- Ende Zitat ---
:)
zumal facebook auch der weit verbreiteten männlichen Telefonierphobie ohnehin ordentlich Vorschub leistet. ;D
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