Warum nun darüber hinaus ein "bundesweiter Gedenktag für die Opfer von Vertreibung"? Die "Charta der Heimatvertriebenen" vom 5. August 1950 ist dafür eine denkbar schlechte Grundlage. Denn in der Charta findet sich kein Wort zu den Ursachen des Krieges, zu den nationalsozialistischen Massenverbrechen, zum Mord an Juden, Polen, Roma und Sinti, sowjetischen Kriegsgefangenen und anderen verfolgten Gruppen, kein Wort zum Generalplan Ost, der die Vertreibung und Vernichtung von Millionen "slawischer Untermenschen" nach dem "Endsieg" vorsah. Stattdessen erklärten sich die deutschen Vertriebenen selbst zu den „vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen“, was angesichts des nationalsozialistischen Massenmords eine groteske Verzerrung der historischen Wirklichkeit darstellt. Das Wort "Versöhnung" taucht in der "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" nicht auf. Vielmehr wird darin gänzlich deplatziert auf "Rache und Vergeltung" verzichtet, als gäbe es einen solchen Anspruch. Und hinter dem proklamierten "Recht auf Heimat" stand 1950 weiterhin die Forderung nach territorialer Revision der Nachkriegsgrenzen.
„Flüchtlinge und Vertriebene in aller Welt, auch die deutschen Vertriebenen, haben ein Recht auf Achtung und Erinnerung“, heißt es im Wortlaut der Erklärung. „So wird der Millionen Flüchtlinge in der Welt, die gezwungen sind, ihre Heimatländer zu verlassen, auf Beschluss der UN-Vollversammlung jährlich am 20. Juni, dem "Welttag der Migranten und Flüchtlinge", gedacht.
20. Juni, dem "Welttag der Migranten und Flüchtlinge", gedacht.
Als Russland-Deutsche, also Vertribene, finde ich die Idee prima: Ein arbeitsfreier Tag in Sommermonat August ist doch ganz nett
Als Russland-Deutsche, also Vertriebene, finde ich die Idee prima: Ein arbeitsfreier Tag in Sommermonat August ist doch ganz nett
Ansonsten gehts mir am Wertesten vorbei.Angesichts der Tatsache, dass ein "Gedenktag" den jetzigen Vertriebenen, Leidtragenden und Flüchtenden nichts bringt, find ich es ziemlich zynisch, sich darüber zu streiten, wer wann wo Opfer genannt werden darf.
Zitat von: Black Russian am 20 Februar 2011, 10:28:54Als Russland-Deutsche, also Vertriebene, finde ich die Idee prima: Ein arbeitsfreier Tag in Sommermonat August ist doch ganz nett Öhm...Gedenktag != Feiertag. Ob der 5.8. dann auch ein Feiertag werden soll, konnte ich bisher nicht rauslesen.
1. dir ist es egal, ob es einen (weiteren) Gedenktag für Vertriebene gibt.
2. du findest es zynisch, das darüber diskutiert wird, ob die Grundlage des besagten Gedenktages eine Charta ist, die voll von Relativismus im Hinblick auf die Geschichte ist? Geschweige denn, dass es ein äußerst schlechtes Signal in Richtung Ausland ist.
Ich halte diese ganze Diskussion über Opfer-Status-Aufrechnungs-Denken GENERELL für Dekadent und Zynisch, wenn DE FACTO derzeit Menschen WIRKLICH unter Vertreibung leiden! Hier wird Energie in die "Verarbeitung" der Vergangenheit investiert, weil Leute einerseits unausgelastet und andererseits ihr Horizont in einem sooo Weltenbürgerlichen Europa nicht über mythisch-kategorisches Denken ewig-gestriger National-Solidaritäten hinaus reicht, und Ich zudem von ausgehe, dass sie die "gleichmütige" (nicht gleichgültige!) in Würde abgehaltenen, moralisch autonomen Ansinnen entwachsenen Gedenken eines aufgeklärten Individuums unbeeinflusst lässt und auch die gemeine Volksmasse eh nicht in ihren Alltag berührt!Auf Kurz: Es gibt dringenderes existenziellere Probleme HEUTE LEBENDER MENSCHEN! Teilweise vor unserer Haustür!So viel zu meinen Prioritäten! Astra!?
@l3xi: pragmatisch => Auf den vermeintlichen "Feiertag" bezogen!Ansonsten geht mir in der Tat die Festlegung eines weiteren Gedenk-Tages, der für irgendeinen moralisch sonstwie gearteten Anspruch herhalten muss, am wertesten vorbei, wenn sich dadurch für die Situation derzeit Flüchtender und Vertriebener auf der ganzen Welt nichts konkretes ergibt!! (<-- Ist das jetzt Unmissverständlicher?!)
Zitat2. du findest es zynisch, das darüber diskutiert wird, ob die Grundlage des besagten Gedenktages eine Charta ist, die voll von Relativismus im Hinblick auf die Geschichte ist? Geschweige denn, dass es ein äußerst schlechtes Signal in Richtung Ausland ist. Schön, wie Du meine Äußerungen in irgendeinen spezifischen Zusammenhang hinein interpretierst!
Ich halte diese ganze Diskussion über Opfer-Status-Aufrechnungs-Denken GENERELL für Dekadent und Zynisch, wenn DE FACTO derzeit Menschen WIRKLICH unter Vertreibung leiden!
Hier wird Energie in die "Verarbeitung" der Vergangenheit investiert, weil Leute einerseits unausgelastet und andererseits ihr Horizont in einem sooo Weltenbürgerlichen Europa nicht über mythisch-kategorisches Denken ewig-gestriger National-Solidaritäten hinaus reicht,
und Ich zudem von ausgehe, dass sie die "gleichmütige" (nicht gleichgültige!) in Würde abgehaltenen, moralisch autonomen Ansinnen entwachsenen Gedenken eines aufgeklärten Individuums unbeeinflusst lässt und auch die gemeine Volksmasse eh nicht in ihren Alltag berührt!
Während wir hier die früher Vertriebene am 5. August gedenken werden, werden in Mittelmeer wieder ein Paar Dutzend Afrikaner ertrinken.
Jetzt erst wird Europa gewahr, was es da angerichtet hat. Jetzt, nachdem Flüchtlingswellen das Mittelmeer überqueren, den wasserumspülten Vorhof Europas - der für Flüchtlinge manchmal schon ein Vorhof zur Hölle war! -, Lampedusa mit Namen, verstopft haben, sogar nach Sizilien ausweichen müssen, wird der Europäischen Union schlagartig klar: wir haben alles falsch gemacht!
Vielleicht hilft es ja, dass der eine oder andere beim nächsten Griff zur Tomate zumindest kurz drüber nachdenkt. Wobei, die Debatte um Langzeitarbeitslose/Hartz4 hierzulande ist eigentlich auch nichts anderes. Was für den Gemüsebauern dort der Afrikaner, ist für uns der Hartz'er, der einfach nur lästig ist solange man ihn nicht als "Sklaven" ... ähm ... 1€-Jobber oder Absatzmarkt braucht.
Nun ja , es ist alles komplizierter als man denkt und hängt mit vielen Faktoren zusammen, du hast nicht umsonst HART IV und die Situation von Arbeitern, die für Billgketten produzieren, in einem satz zusammengebracht.Jemand, der von HARTZ IV lebt oder für 6,50 € schuftet, kann sich bewusstes soziales Kaufverhalten nicht leisten, er muss einfach satt werden und was zum anziehen haben und ist gezwungen, aus Selbstschutz die Augen für die Situation in produzierenden Ländern (welche tatsächlich nicht weit von Situation von Sklaven entfernt ist) zu schliessen. "Erst kommt das Fressen, dann die Moral", der alte Brecht hatte wohl Recht.
Mir ging es bei der Gleichsetzung auch weniger um die Hartz4-Empfänger/innen, sondern eher um jene, die sich in keiner von beiden Situationen befinden. Denen es sozusagen besser geht. Dieser Personenkreis kann es sich sehr wohl erlauben, mal etwas kritischer zu hinterfragen. Aber da sind wir dann oftmals schnell wieder an dem Punkt angelangt, wo es immer wieder heißt:"Das betrifft mich alles gar nicht." Nach oben wird gelechzt und nach unten wird getreten. Aber wehe man gelangt selbst in diese Situation...
Zitat von: -Lethos- am 24 Februar 2011, 17:04:20Ich halte diese ganze Diskussion über Opfer-Status-Aufrechnungs-Denken GENERELL für Dekadent und Zynisch, wenn DE FACTO derzeit Menschen WIRKLICH unter Vertreibung leiden! Es sind mMn 2 unterschiedliche Baustellen, die getrennt von einander betrachtet werden müssen.
Zitat von: -Lethos- am 24 Februar 2011, 17:04:20 und Ich zudem von ausgehe, dass sie die "gleichmütige" (nicht gleichgültige!) in Würde abgehaltenen, moralisch autonomen Ansinnen entwachsenen Gedenken eines aufgeklärten Individuums unbeeinflusst lässt und auch die gemeine Volksmasse eh nicht in ihren Alltag berührt!Sobald es jmd. egal ist, weil es sie/ihn nicht direkt betrifft und er sich deshalb mit dem Problem nicht auseinandersetzen will, wird aus Gleichmut in meinen Augen fast schon zwangsläufig Gleichgültigkeit. :/
Uhm... und noch was! Du hast falsch zitiert, und mich als Autor von Black Russians Aussage gesetzt
und ganz ehrlich, wer von uns geht an Gedenktagen überhaupt zur Kirche oder sitzt/steht im Stillen der kollektiv verankerten Schweigeminute in sich kehrend?vllt. könnten wir nen Gedenkthread einführen und lassen diesen 5. August außen vor. Wie sonst sollte man seine politische Einstellung zu diesem Tag auch besser kundtun, in dem man eben gerade jener Gedenk-Tage sich anschließt, die des Ansinnens würdig sind?