Schwarzes Hamburg

  • 26 Dezember 2024, 09:03:30
  • Willkommen Gast
Bitte logg dich ein oder registriere dich.

Einloggen mit Benutzername, Passwort und Sitzungslänge
Erweiterte Suche  

Autor Thema: bildungsferne Schicht? ^^  (Gelesen 7917 mal)

tyrannus

  • > 5000 Posts
  • *****
  • Beiträge: 7234
  • tiefenentspannt
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #15 am: 19 Oktober 2010, 14:16:20 »

"bildungsfern" ist in erster Linie eine Kreation von "Experten" und solchen, die sich dafür halten, welche für sich selbst das Bild aufrecht erhalten wollen, dass sie fast ganz oben sind und da unten noch so ein paar Reste herumdümpeln, die es einfach nicht geschafft haben und auch in den nächsten Generationen nicht schaffen werden. Was auch immmer oben und unten ist.
Weil das aber niemanden Interessiert und die auch sonst nicht viel zum Seelenheil der Welt beizutragen haben, dies aber gerne würden, da sie in einer psychischen Leere verweilen müssten, reden sie halt drüber. Wer viel redet, hat auch viel zu sagen oder beweihräuchert sich am liebsten gleich selbst (Wurde beim philosophischen Quartett nicht sogar darauf hingewiesen, dass man die Migrationsdebatte ja schon anno dazumal vorhergesehen hatte?)

Ein Beispiel von einer Büroeinweihungsparty einer Arbeitskolleging vor zwei Wochen:
[...]
Kollegin: "Musste da vorhin anrufen. Voll schlimm, so diese Callcenter-Leute, könnte ich mir nicht vorstellen, da ist man ja voll unten."
Ich: "Prinzipiell ist ja meistens nur das Konzept Scheiße. Es gibt ja auch Hotlines, wo die die Mitarbeiter komplizierte Inhalte vermitteln müssen."
Kollegin: "Ach quatsch, da braucht man doch vielleicht einen Hauptschulabschluß. Können muss man doch eigentlich nichts, total anspruchslos."

Hier bin ich dann lachend an meinen Schreibtisch zurückgegangen. Alternativ hätte ich ihr auch die Party vermiesen können, mit dem dezenten Hinweis, dass sie einen Realschulabschluß hat, gelernte Kauffrau für Bürokommunikation ist, sich ohne ihren Freund mehr als eine 1-Zimmer-Wohnung nicht leisten könnte und ca. 80% ihrer Kollegen nach den angesetzten Kriterien den Spruch über sie bringen könnten. Scheiße fällt halt immer nach unten, es sei denn das Wasser steht einem bis zum Hals.


In diesem Sinne folgt meine wortreiche Dampfblase zum Thema, die auch gerne, wie viele andere totgeredete Themen, ignoriert werden darf:

Von daher kommt es nicht auf Künstler A oder die historische Epoche B an. Der Punkt ist eher, dass man sich beim "gebildeten Smalltalk" blamiert, wenn man nicht weiß, ob die Französische Revolution vor oder nach dem Dreißigjährigen Krieg war.
Mal abgesehen davon, dass dies so entscheidenende Beispiele aus der Weltgeschichte sind, dass ich dieses Faktenwissen oder zumindest die Herleitung von einzelnen gemerkten Daten von jedem Europäer erwarten würde, ist derlei Wissen aber stark interessenbezogen. Ich weiß z.B. die zwei begrenzenden Jahreszahlen, "Prager Fenstersturz" und "Westfälischer Frieden" zum Dreißigjährigen Krieg beizutragen, aber nur weil ich mich auf Grund von schulischem Geschichtsunterricht daran erinnern kann. Diese Abschnitte der Geschichte interessieren mich aber minimal, entsprechend langweilt mich "gebildeter Smalltalk" zu dem Thema.

Andererseits fällt bei Themen, die einen interessieren im "gebildeten Smalltalk" sehr schnell auf, dass die Beteiligten (mich nicht ausgenommen) sich sehr leicht von tatsächlichem Wissen in Halbwahrheiten verrennen. Das ist fast immer so. In allen anderen Fällen wird bestenfalls das Thema gewechselt oder geschwiegen, wohl auch weil sich niemand traut mit seinen eigenen Halbwissen den Gesprächspartner in ein schlechtes Licht zu rücken. Und dann gibt es ja auch noch diejenigen, die tatsächlich gerade ein bisschen mehr in der Materie stecken, glauben der/die Allwissende der Runde zu sein und müssen dies direkt oder auch indirekt propagieren, bis ein Themenexperte einer höheren Evolutionsstufe auftaucht...  :D
(Bsp, Fachrichtungen abgeändert: Betont nerdiger, angehender Lehrer prahlt eloquent mit seiner Weisheit in physikalischen Themen, er hat ja gerade eine wichtige Klausur dazu hinter sich gebracht. Als er mitbekommt, dass eine Anwesende Dipl. Physikerin ist, ist er für den Rest des Abends sehr schweigsam.)

Das Problem dieser Betrachtungsweise von bildungsnah/bildungsfern ist, dass diese Bildung sowohl sehr allgemein (breit gestreut über viele Themengebiete, dafür evtl. sehr flach in einer Thematik), als auch sehr spezialisiert (weniger breit über nicht so viele Themengebiete gestreut, dafür in einzelnen Themengebieten vertieft) sein kann. Die Kommunikation zu solchen Themen kann dadurch sehr stark kontextbezogen sein, so dass Experten einzelner Spezialgebiete, mit gemeinsamen Grundlagenwissen, evtl. nicht einfach die Bildung des Gegenübers ermessen können. Und ja, auch Koryphäen auf ihrem Gebiet müssen nicht unbedingt der Rhetorik so weit mächtig und in Sozialkompetenzen soweit gestärkt sein, dass man lediglich an ihrer Art der Präsentation eines Themas ihre Bildungsnähe erkennt.

Stephen Hawking mag als bildungsnah, Ronny-Marcel von gegenüber als bildungsfern angesehen werden. Aber vielleicht ist Ronny-Marcel Experte für die Biographie von Sido und hat sich seit seinem 14. Lebensjahr sehr intensiv mit BMX-Rädern auseinandergesetzt und dahingehend gebildet. Nur weil die paar Damen und Herren, die den Begriff "bildungsfern" erdacht haben, um sich von Menschen wie Ronny-Marcel abzugrenzen, die Französische Revolution, Wissen über die Bundestagspräsidenten und die Hauptsätze der Thermodynamik als bildungsnah, Eigenschaften von Chrommolybdän-Rahmen und Wissen über die besten Windsurfer des 20. Jahrhunderts als bildungsfern definieren, heißt dass ja nicht, dass diese Begriffe in erster Linie etwas mit Wissen, Intelligenz oder Zuordnung zu einer "Schicht" zu tun haben.

Die Verwendung von "bildungsfern" beschreibt daher für mich Familien, die im Augenblick nicht aus eigener Kraft, mit eigenen, selbsterarbeiteten Mitteln und mit den vorherherrschenden häuslichen Umständen ihren Nachkommen eine ausreichende Grundlage für eine gesunde, wohlbehütete frühkindliche Entwicklung, erfolgreiche schulische Laufbahn und berufliche Zukunft bieten können, so dass diese dies ebenfalls ihren Kindern bieten können und alle der Gesellschaft nützlich sind.
Somit kann sowohl ein langzeitarbeitsloses, verschuldetes und zerstrittenes Pärchen aus gelerntem Bankkaufmann und Dipl. Pädagogin in der renovierten Eigentumswohnung als bildungsfern, als auch ein schuldenfreies Ehepaar aus Kassiererin und Kraftfahrer in der 60m² Mietwohnung als bildungsnah  angesehen werden. Erstere können evtl. ihren Kindern mehr Wissen zu Hause vermitteln, Letztere bieten aber im Augenblick eine insgesamt bessere Grundlage für einen ungetrübten Werdegang des Nachwuchses.
Klar, dass das mit dem "bildungsfern" nicht SO gemeint war, denn:
Natürlich finden Erstere bald wieder eine Job, verdienen ganz viel Geld und fühlen sich als die Elite(!). Aber was sein könnte, darum geht es ja nicht, denn sonst wäre zu erwähnen, dass auch Ronny-Marcel BMX-Profi wird und seine 3 Kinder auf eine Privatschule schickt, damit sie nicht vom verzogenen Sproß der Nachbarn lernen, sondern nach seiner ganz eigenen, besseren Weltanschauung leben.


Jetzt kann ich endlich wieder ruhig schlafen.  ;)
Gespeichert
Ich bin nur von Trockennasenaffen umgeben.

Tialys

  • Regelmäßiger Poster
  • **
  • Beiträge: 792
  • ...
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #16 am: 19 Oktober 2010, 14:36:07 »

Ich finde, dass es sehr schwer ist, auf die Frage "was muss man wissen um gebildet zu sein?" konkret zu antworten, da selbstverständlich jeder Bildung anders definiert. Ein Kunststudent wird unter Bildung im Zweifelsfall etwas anderes verstehen als jemand, der z.B. eine Ausbildung als Schifffahrtskaufmann gemacht hat, oder Steuerhinterzieher,äh, -Steuerfachangestellter ist, oder Bäcker oder oder.... ( Berufe komplett willkürlich gewählt)

Im Prinzip stimme ich aber den von colourize in seinem ersten Post aufgezählten Punkten zu. Ich halte solche Sachen (nicht exklusiv) für ausschlaggebend, um von einer Person als "gebildet" zu sprechen. Und gerade deshalb finde ich es wirklich erschreckend, wie desinteressiert teilweise selbst nach außen hin "gebildete" Personen an ihrer Umwelt (nicht im ökologischen Sinne ;)) sind.
 Ich merke das immer wieder an der Uni, wo man im Gespräch mit Studenten/Innen dann auf ein Thema kommt, das vorher über Wochen die Zeitungen etc beschäftigt hat und immer noch aktuell ist ( Ich glaube in meinem speziellen Fall ging es um ein Unglück wie die Überschwemmung in New Orleans 2005 oder so was...) und einige davon nicht gehört haben. Ich erwarte von niemanden, dass er/sie alles weiß über jegliches Geschehen in der Welt. Aber häufig haben die Leute noch nicht einmal im Geringsten etwas davon gehört, mit der Begründung "Weiß nicht, ich les halt nicht so viel Zeitung...", obwohl solche Sachen auch als Thema auf jeder blöden Seite wie gmx.de oder so stehen ;)  Und das sind dann Studenten, die in einer Vorlesung für internationale Außenwirtschaft sitzen.

Ich selber komme aus einer "gebildeten" Familie ;) D.h. gerade was meine Eltern angeht, waren Diskussion über politische, wirtschaftliche etc. Themen Alltag. Ebenso regelmäßiger Besuch von kulturellen Veranstaltungen. Ich habe daher auch schon festgestellt, dass ich oft einen relativ hohen Anspruch an andere Menschen hab was sowas angeht und schwer nachvollziehen kann, wie man sich dafür nicht interessieren kann :)

Erschreckend fand ich es einmal, als ich in der U-Bahn saß und Vokabeln ( Chinesisch..) gelernt hab. Um mich rum saß eine Schulklasse, grobe Einschätzung meinerseits: Abschlußklasse Hauptschule. Der Junge neben mir hat mich dann gefragt was das wäre, ich hab es ihm erklärt. Daraufhin hat er mich gefragt, ob ich das fürs Abitur machen würde. Für Ihn war das Abitur scheinbar so unrealistisch weit weg, dass er davon ausgegangen ist, dass im Abitur so "exotische" Fächer wie Chinesisch gelehrt werden müssten.

So, nun hab ich erfolgreich 15 Minuten meiner Arbeitszeit verplempert, keine Ahnung ob ich damit nun auf irgendwas geantwortet habe, was Kallisti gefragt/angeregt hat ;)
« Letzte Änderung: 19 Oktober 2010, 14:37:54 von Tialys »
Gespeichert
"Sie fragte sich, warum sie, die sich so schwertat, mit anderen Menschen zu reden, so unbekümmert ihre intimsten Geheimnisse im Internet diskutieren konnte. Doch wenn sie überhaupt eine Familie hatte, der sie sich zugehörig fühlte, dann waren es diese Verrückten."

Kallisti

  • Gast
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #17 am: 20 Oktober 2010, 00:08:51 »

Zitat
"bildungsfern" ist in erster Linie eine Kreation von "Experten" und solchen, die sich dafür halten, welche für sich selbst das Bild aufrecht erhalten wollen, dass sie fast ganz oben sind und da unten noch so ein paar Reste herumdümpeln, die es einfach nicht geschafft haben und auch in den nächsten Generationen nicht schaffen werden. Was auch immmer oben und unten ist.
(tyrannus)

So ähnlich klang das ja bei colourize auch. ;) (Siehe hier - ich weiß nicht, wie oft ich diese Sätze inzwischen schon zitiert hab - bestimmt mindestens drei Mal ;)

Zitat
"Bildungsfern" ist folglich ein Kampfbegriff der Mittelschicht, die für sich den Aufstiegsgedanken nicht aufgeben will, obwohl sie selbst immer mehr erkennt, dass das Gerede von "Jeder kann es hier schaffen, wenn er sich nur richtig anstrengt" zumindest in unserer heutigen spätkapitalistischen Welt ein Märchen ist. Ferner ist es eine rhetorische Figur der Oberschicht, die zwar selbst nicht auf Bildung angewiesen ist (ob deren Kinder nachher gebildet sind ist für das Weiterbestehen der Kapitaldynastie unerheblich), sondern den Wert der "Bildung" nur als zweites Bewertungsraster zur Sortierung ihrer Welt benötigt, damit das im Kapitalismus unangefochten wichtigste Raster, das Verfügen über Geld, nicht ganz so unanständig wirkt.
(colourize) )



Zitat
Andererseits fällt bei Themen, die einen interessieren im "gebildeten Smalltalk" sehr schnell auf, dass die Beteiligten (mich nicht ausgenommen) sich sehr leicht von tatsächlichem Wissen in Halbwahrheiten verrennen. Das ist fast immer so. In allen anderen Fällen wird bestenfalls das Thema gewechselt oder geschwiegen, wohl auch weil sich niemand traut mit seinen eigenen Halbwissen den Gesprächspartner in ein schlechtes Licht zu rücken. Und dann gibt es ja auch noch diejenigen, die tatsächlich gerade ein bisschen mehr in der Materie stecken, glauben der/die Allwissende der Runde zu sein und müssen dies direkt oder auch indirekt propagieren, bis ein Themenexperte einer höheren Evolutionsstufe auftaucht...  Lächelnd
(Bsp, Fachrichtungen abgeändert: Betont nerdiger, angehender Lehrer prahlt eloquent mit seiner Weisheit in physikalischen Themen, er hat ja gerade eine wichtige Klausur dazu hinter sich gebracht. Als er mitbekommt, dass eine Anwesende Dipl. Physikerin ist, ist er für den Rest des Abends sehr schweigsam.)
(tyrannus)

Das ist durchaus zutreffend. Das (mein) Problem ist aber einfach auch, dass man halt nun mal nicht "alles" wissen (und sich merken) kann. Leider.



Zitat
(...) so dass Experten einzelner Spezialgebiete, mit gemeinsamen Grundlagenwissen, evtl. nicht einfach die Bildung des Gegenübers ermessen können. Und ja, auch Koryphäen auf ihrem Gebiet müssen nicht unbedingt der Rhetorik so weit mächtig und in Sozialkompetenzen soweit gestärkt sein, dass man lediglich an ihrer Art der Präsentation eines Themas ihre Bildungsnähe erkennt.
(tyrannus)

Auch hier stimme ich dir zu. :)


Zitat
Die Verwendung von "bildungsfern" beschreibt daher für mich Familien, die im Augenblick nicht aus eigener Kraft, mit eigenen, selbsterarbeiteten Mitteln und mit den vorherherrschenden häuslichen Umständen ihren Nachkommen eine ausreichende Grundlage für eine gesunde, wohlbehütete frühkindliche Entwicklung, erfolgreiche schulische Laufbahn und berufliche Zukunft bieten können, so dass diese dies ebenfalls ihren Kindern bieten können und alle der Gesellschaft nützlich sind.
Somit kann sowohl ein langzeitarbeitsloses, verschuldetes und zerstrittenes Pärchen aus gelerntem Bankkaufmann und Dipl. Pädagogin in der renovierten Eigentumswohnung als bildungsfern, als auch ein schuldenfreies Ehepaar aus Kassiererin und Kraftfahrer in der 60m² Mietwohnung als bildungsnah  angesehen werden. Erstere können evtl. ihren Kindern mehr Wissen zu Hause vermitteln, Letztere bieten aber im Augenblick eine insgesamt bessere Grundlage für einen ungetrübten Werdegang des Nachwuchses.

Hier bin ich jedoch ganz anderer Ansicht - denn: Das ist einfach nur völlig zweckgebunden bzw. also Bildung zum Zweck der Existenzsicherung, des finanziell/wirtschaftlich möglichst "guten Lebens" - das vernachlässigt völlig Bildung als "Selbstzweck"/um der Bildung, des Wissens (von etwas) selbst willen.




Kallisti:


Allgemeinbildung war mal das, was früher auf Schulen und Hochschulen vermittelt wurde, bevor die Bildung immer mehr zu Gunsten der Ausbildung zurückgestellt wurde.
Eisbär - das sagt inhaltlich leider gar nix aus (über das was Allgemeinbildung "mal war"). =/



Zitat
Ich finde, dass es sehr schwer ist, auf die Frage "was muss man wissen um gebildet zu sein?" konkret zu antworten, da selbstverständlich jeder Bildung anders definiert. Ein Kunststudent wird unter Bildung im Zweifelsfall etwas anderes verstehen als jemand, der z.B. eine Ausbildung als Schifffahrtskaufmann gemacht hat, oder Steuerhinterzieher,äh, -Steuerfachangestellter ist, oder Bäcker oder oder.... ( Berufe komplett willkürlich gewählt)
(Tialys)


Naja, also ganz so ist es wohl doch (hoffentlich) nicht. ;)  Es gibt natürlich Fachwissen. Aber der Begriff (Allgemein-) Bildung suggeriert doch etwas, das darüber hinausgeht bzw. allem Fachwissen zu Grunde liegen bzw. zu diesem hinzukommen sollte - und eben über den Tellerrand (des jeweils eigenen (notwendigen) Berufswissens) hinausgeht.

?




Und colourize´ (oder muss da n "s" hin - colourizes ? - das klingt aber nich  ;D ) Liste möchte ich noch ergänzen um

- Gesundheits- und (als Unterpunkt) Ernährungsbewusstsein (mit entsprechend gelebter Praxis)

evtl. auch noch

- ökologisches "Bewusstsein" (ebenfalls mit entsprechendem Verhalten)

... vielleicht fällt das ja aber wieder zu sehr unter political correctness und ist daher doch eher auffällig bildungsschichtfern! ?


Ganz bestimmt muss aber noch

- Mehrsprachigkeit

auf die Liste!



 
Gespeichert

Kallisti

  • Gast
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #18 am: 20 Oktober 2010, 11:02:10 »

Zitat
Das ist einfach nur völlig zweckgebunden bzw. also Bildung zum Zweck der Existenzsicherung, des finanziell/wirtschaftlich möglichst "guten Lebens" - das vernachlässigt völlig Bildung als "Selbstzweck"/um der Bildung, des Wissens (von etwas) selbst willen.
(Kallisti)


Also das is auch Blödsinn.  :-\  Gibt´s das überhaupt: Bildung bzw. Wissen (-Ansammeln) als Selbstzweck? Nee. Entweder man will was wissen, um mitreden zu können, um nicht verschaukelt werden zu können, um sich zu profilieren, andere zu beeindrucken, dazugehören zu dürfen, um bestimmte Dinge/Tätigkeiten ausführen zu können - also letztlich dient das meiste davon dann eben doch der "Existenzsicherung" (dem Überleben).


Noch was zur Liste: Wie verhält es sich mit Etikette (bspw. Tischmanieren ...)? - Muss meiner Meinung nach auch unbedingt noch drauf.  ;D
Gespeichert

tyrannus

  • > 5000 Posts
  • *****
  • Beiträge: 7234
  • tiefenentspannt
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #19 am: 20 Oktober 2010, 12:53:39 »

Zitat
Die Verwendung von "bildungsfern" beschreibt daher für mich Familien, die im Augenblick nicht aus eigener Kraft, mit eigenen, selbsterarbeiteten Mitteln und mit den vorherherrschenden häuslichen Umständen ihren Nachkommen eine ausreichende Grundlage für eine gesunde, wohlbehütete frühkindliche Entwicklung, erfolgreiche schulische Laufbahn und berufliche Zukunft bieten können, so dass diese dies ebenfalls ihren Kindern bieten können und alle der Gesellschaft nützlich sind.
Somit kann sowohl ein langzeitarbeitsloses, verschuldetes und zerstrittenes Pärchen aus gelerntem Bankkaufmann und Dipl. Pädagogin in der renovierten Eigentumswohnung als bildungsfern, als auch ein schuldenfreies Ehepaar aus Kassiererin und Kraftfahrer in der 60m² Mietwohnung als bildungsnah  angesehen werden. Erstere können evtl. ihren Kindern mehr Wissen zu Hause vermitteln, Letztere bieten aber im Augenblick eine insgesamt bessere Grundlage für einen ungetrübten Werdegang des Nachwuchses.

Hier bin ich jedoch ganz anderer Ansicht - denn: Das ist einfach nur völlig zweckgebunden bzw. also Bildung zum Zweck der Existenzsicherung, des finanziell/wirtschaftlich möglichst "guten Lebens" - das vernachlässigt völlig Bildung als "Selbstzweck"/um der Bildung, des Wissens (von etwas) selbst willen.

Es entspricht aber der Betrachtungsweise, die hier als Aufhänger und eben auch in der benannten Sendung angesprochen wurde und im Kontext zu der aktuellen Migrationshysterie aufgezeigt wird.

Meine Interpretation der Äußerungen v. Hr. Seehofer & Co:
Ganz viele schlimme Migranten wandern wahllos nach Deutschland ein und liegen mit ihrer Bildungsferne dem Staat auf der Tasche, eben weil sie, auf Grund fehlender Bildung und den daraus resultierenden schlechten Voraussetzungen, nicht selbst zur Sicherung ihrer Existenz unter den Bedingungen der deutschen Gesellschaft in der Lage sind.

Meine Interpretation der relativierenden Nachschüsse:
Man möchte ja im Prinzip Migranten, weil nur so der Fachkräftemangel in Deutschland überwunden werden kann. Aha, Migranten als Fachkräft. Man erwartet also nach Möglichkeit junge, gut ausgebildete Personen, Menschen, die auf der einene Seite der Wirtschaft nützen, weil sie diese Arbeitskräfte benötigt, auf der anderen Seite die Staatskasse nicht belasten, da sie in der Lage sind ihre Existenz selbstständig zu sichern. Alle anderen sind dennoch unerwünscht.


In diesem Kontext, "Sozialleistungen, Migration, Ungelernte, Fachkräftemangel, soziale Schichten" und nur in diesem Kontext findet der Begriff aktuell Verwendung, ist Bildungsferne/Bildungsnähe also eindeutig zweckgebunden. Wenn ich mir das Verschwinden der "alten" Hochschulabschlüsse ansehe, ist diese Zweckgebundenheit auch ganz klar in den Bachelorstudiengängen zu erkennen. Ausbildung findet in den meisten Bereichen gezielt für die Bedürfnisse der Wirtschaft statt und nicht für den Selbstzweck der Bildung an sich. Für einen deutschen Ureinwohner mag der Begriff "bildungsfern" bereits entfallen, wenn er sich verständlich artikulieren kann, eine (noch so einfache) Ausbildung abgeschloßen hat und einer regelmäßigen bezahlten Tätigkeit nachgeht, er fällt also nicht unangenehm auf. Bezogen auf einige Gruppen von Migranten sind allerdings häufiger ein bis zwei dieser Kriterien ein fast unüberwindbares Hindernis, so dass sie eben auffallen und Angriffsfläche bieten ihnen die Plakette "bildungsfern" aufzdrücken.


Der Mangel an zu "La traviata" lustwandelnde Menschen in gemäldebestückten Kreuzgewölben, auf dem Weg zum philosophischen Nachmittag im Olivenhain ist eine völlig andere Diskussion.
Gespeichert
Ich bin nur von Trockennasenaffen umgeben.

Eisbär

  • > 10.000 Posts
  • ******
  • Beiträge: 11836
  • Moin!
    • Schwarzes-Stade
Re: bildungsferne Schicht? ^^
« Antwort #20 am: 20 Oktober 2010, 14:21:47 »

Also das is auch Blödsinn.  :-\  Gibt´s das überhaupt: Bildung bzw. Wissen (-Ansammeln) als Selbstzweck? Nee.
Doch! Nennt sich Neugier und ist in vielen Menschen angelegt!
Gespeichert
2024- No F*cking Bands Festival XIII

Donnerstag, 15. bis Sonntag 18. August 2024

Infos: www.nofuba.de