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Patente auf Lebewesen?

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CubistVowel:
Die Zukunft unserer Nahrung

Chemiekonzerne lassen seit einiger Zeit auch konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere patentieren.

Vor Kurzem machte eine Klage gegen die englische Firma Plant Biosience Schlagzeilen: Die Firma hatte ein Patent auf einen Brokkoli angemeldet, dem (konventionell) ein paar angeblich krebshemmende Inhaltsstoffe angezüchtet wurden. Zwei andere Unternehmen hatten vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts geklagt.

(aus taz.de: Das Broccoli-Patent:)
"Darum gehts: um unsere Ernährung. Denn mit Patenten auf konventionelle Pflanzen könnten Konzerne wie Monsanto, Bayer oder Syngenta ihren ohnehin hohen Anteil am Saatgutmarkt weiter ausbauen. So würden sie noch stärker bestimmen, was die Bauern produzieren - und wir essen."

"Die Juristen vor allem großer Agrochemiekonzerne wie Monsanto, BASF und Syngenta lassen neuerdings nicht nur gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere patentieren, sondern auch konventionell gezüchtete. Die Patente sichern den Unternehmen ein Monopol: Nur sie dürfen dann entscheiden, wer das Lebewesen weiter züchten und verkaufen darf. Kritiker warnen, dass die Konzerne so noch mehr Macht über unsere Ernährung erlangen. Die Patente könnten sie nutzen, um die Produktion von Lebensmitteln zu verteuern und den Markt auf noch weniger Tier- und Pflanzensorten zu beschränken als bisher."

Für mich klingt das wie die Schlimmste aller Zukunftsvorstellungen. Nur, dass es bereits heute zu großen Teilen Wirklichkeit ist. Leider ist dieses Thema eine sehr komplexe Kombination aus Juristerei, Biologie, Chemie und Technik und beinhaltet sogar religiöse Aspekte. Somit ist es für die meisten Menschen dermaßen sperrig, dass das Thema leider auch in den Medien oft untergeht. Dabei geht es hier um nichts Geringeres als um die Zukunft unserer Nahrung.

(aus spiegel.de: Die Brokkoli-Revolte:)
"Wenige Konzerne könnten sich künftig die Rechte an den wichtigsten Lebensmitteln sichern und damit die ganze Nahrungsmittelproduktion kontrollieren, fürchtet [Greenpeace-Patentexperte Christoph Then]. "Nicht nur Verbraucher werden zu Sklaven der Großkonzerne, sondern auch Landwirte, weil sie auf das Saatgut einiger weniger angewiesen sind.""

Die Patentrechte gelten/gälten nicht nur für das Saatgut und den Samen, sondern auch für sämtliche Nachkommen und die daraus hergestellten Produkte (aus Getreide, Soja, Fleisch, Gemüse, Obst, Milch, Eiern...). Das Ausweichen auf kleine Saatgutfirmen wird durch massive Aufkäufe durch die großen globalen Konzerne zunehmend erschwert. Laut Greenpeace "beherrschen inzwischen nur noch etwa ein Dutzend Firmen zwei Drittel des globalen Saatgutmarktes."

"So gibt es inzwischen Dutzende Patente, die dem des Brokkoli ähneln - von der Sonnenblume über Schweine bis zu Milchkühen. Aufsehen erregte in der Vergangenheit ein Patentantrag von Monsanto für Schweine, die mit dessen Gensoja gefüttert wurden. Die Verwertungsrechte daran sollten sich letztlich bis zum Schnitzel erstrecken. Das heißt: Die Konzerne würden mehrfach abkassieren - von der Landwirtschaft bis zum Verbraucher. Und solche Fälle dürften zunehmen. Laut Greenpeace ist die Zahl der Patentanträge dieser Art in den vergangenen Jahren auf gut 1000 stark gestiegen."

Das bedeutete also schlimmstenfalls,
1. dass durch weitere Aufkäufe kleinerer Biotechfirmen etc. wenige Großkonzerne die weltweite Nahrungsmittelproduktion völlig beherrschen würden
2. dass die Artenvielfalt sämtlicher als Nahrungsmittel genutzter Lebewesen bis auf wenige patentierte Arten schrumpfen würde, teilweise bis auf nur eine mögliche Art/Sorte
3. dass sich durch die Monopolstellung der Konzerne die Nahrung verteuern und künstlich verknappen ließe - weltweit.

Darf es wirklich sein, dass sich Agrar- und Chemiekonzerne die Rechte an Tieren und Pflanzen (und somit an unserer Lebensgrundlage) patentieren lassen - auch wenn diese Lebewesen nur durch konventionelle Zucht und nicht mal durch Gentechnik verändert wurden? Sollte es einen Unterschied geben zwischen gentechnisch veränderten und konventionell gezüchteten Lebewesen?

colourize:
Patente sind ganz generell Mist. Ganz gleich ob auf lebende oder tote Dinge.

Nies:
Die Welt ist krank.

Lucas de Vil:

--- Zitat von: colourize am 10 August 2010, 14:10:02 ---Patente sind ganz generell Mist.
--- Ende Zitat ---
Das sehe ich nicht so.
Generell kann man nix generalisieren. :P

Das Thema 'Patente' ist leider wirklich kein Leichtes.
Die Quellen sind auch sehr augenwischend. Nirgends steht der Text für die Patentanmeldung.
Weiterhin ist es nur eine Patentanmeldung. Viele Unternehmen richten ihre Juristen darauf ab, schon mal mit dieser Anmeldung hausieren zu gehen. Dabei besagt die noch gar nix.

Patentieren lassen sich auch keine Gegenstände oder Ideen. Eine Idee muss neben einem gewissen 'höheren Wert' auch ein 'spezielles Verfahren' beinhalten, um zum Patent werden zu können. "Ich gieß meinen Brokkoli mit Weißenkleie, damit er keinen Schnupfen bekommt." könnte als patentwürdige Idee gelten, den 'höheren Wert' zweifle ich hingegen an.
Insofern gibt es an der Patentidee "Gieß' den Brokkoli mit Gezeugs X, damit die Pflanzenkrebssorten A,B,C und F keine Chance haben und somit die Ertragsrate der Ernte um 60% erhöht werden kann" gar nichts auszusetzen.

Es bedeutet ja schließlich nicht, dass niemand mehr Brokkoli züchten darf ohne Gezeugs X drauf zu schütten. Wenn er weiterhin Gezeugs X draufschütten will, muss er zahlen. Es zwingt ihn jedoch niemand.

Die 'Verwertungsrechte', die da angeschnitten werden, sind ein ganz anderes Problem und wirklich ausschließlich Geldeintreiberei. Zumindest in meinen Augen.

Man sollte trotz Allem den Wert eines Patentes nicht aus den Augen verlieren: der Entwickler hat eine Art Hoheitsrecht an dem dahinterstehenden 'höheren Wert'. Seine Forschungsarbeit zahlt sich dann für ihn aus. Ohne Patente hätte er 10 Jahre lang intensivst geforscht und irgend ein Herr aus der Nachbarschaft klaut sich dann sein Gezeugs X, lässt es chemisch analysieren und reproduzieren und fährt ohne nennenswerte Kosten (Forschung und Entwicklung sind immense Kosten, Analyse und Reproduktion hingegen sind zu vernachlässigen) hohe Gewinne ein.
Etwas Derartiges ist einfach nicht fair.

Der wirkliche Schwachpunkt an Patenten ist, dass sie so schwammig reguliert sind. Bei den Softwarepatenten wurde ja endlich mal eingegriffen, aber bei solchen Patenten nicht.
Insofern wundert es mich nicht, dass die EU fieberhaft an Bio-, Chemie- und sonstigen Patentregelungen bastelt und herumformuliert.
Der Missbrauch ist momentan einfach noch zu einfach.

messie:

--- Zitat ---Ohne Patente hätte er 10 Jahre lang intensivst geforscht und irgend ein Herr aus der Nachbarschaft klaut sich dann sein Gezeugs X, lässt es chemisch analysieren und reproduzieren und fährt ohne nennenswerte Kosten (Forschung und Entwicklung sind immense Kosten, Analyse und Reproduktion hingegen sind zu vernachlässigen) hohe Gewinne ein.
--- Ende Zitat ---

Du meinst, wie es die Chinesen schon seit Jahrzehnten machen?
+scnr+  8)

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